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Netzhaut-Boogie

In den Sechzigern kopiert, heute verehrt: Die Op-Art-Queen Bridget Riley im Düsseldorfer Kunstverein ■ Von Magdalena Kröner

1999 war ein gutes Jahr für Bridget Riley. In der Londoner Serpentine Gallery wurde sie mit einer Retrospektive ihrer Werke aus den Sechziger- und Siebzigerjahren geehrt, gegenwärtig stellt sie der Düsseldorfer Kunstverein aus. „The Eye’s Mind“ ist erschienen, eine von ihrem Lebenspartner, dem Kunstkritiker und Op-Art-Spezialisten Robert Kudielka, herausgegebene Anthologie ihrer Texte. Außerdem wurde sie zu Beginn des Jahres von der Queen mit dem Ehrentitel Companion of Honour versehen. Und – last but not least – ihre Bilder werden zu satten, sechsstelligen Beträgen verkauft.

Viel Ehre für die mittlerweile 68-Jährige, die von der britischen Vogue nicht ganz altersgemäß jüngst als „unsere Bridget“ gefeiert wurde. Das Blatt widmete ihr im Juni, zwischen einem Hugh-Grant-Interview und der nächsten Modestrecke, sechs Farbseiten, garniert mit Porträts von Lord Snowdon, der häufig als Hoffotograf der Royals fungiert.

Die britische „Königin der Op-Art“ ist endgültig angekommen in der Hall of Fame. Vielleicht ist dies auch der Grund für den neuen Schmusekurs mit der Glamourpresse? In den Sechzigerjahren stand sie zumindest mit der Modeindustrie noch auf Kriegsfuß. Der jungen Malerin Riley gelang 1965 mit der Ausstellung „The Responsive Eye“ im New Yorker Museum of Modern Art der internationale Durchbruch. Ihre streng geometrischen, schwarzweißen Leinwände waren Analysen zu Rhythmus und Struktur, Experimente zu den Möglichkeiten von Freiheit innerhalb der selbst gesteckten, strikten Grenzen von Schwarz und Weiß. Werke aus der ersten Hälfte der Sechzigerjahre wie „Shift“ oder „Blaze 4“ waren Attacken auf das Auge, die, sowohl kontrovers als auch euphorisch diskutiert, in rasantem Tempo von der Kommerzialisierung aufgesogen wurden.

Ebenso rasch, wie Riley Celebrity-Status erlangte, waren die Boutiquen und Design-Shops voll mit Riley-Imitaten. Op-Art war hip. Das 1964 entstandene Bild „Crest“ etwa wurde als Stoffmuster erst in den USA und dann in England aufgelegt – und verkaufte sich blendend. Bridget Riley musste feststellen, dass in den USA zu dieser Zeit keinerlei Urheberrechtsschutz für Künstler existierte, und versuchte dagegen mit einer Reihe von Klagen vorzugehen. Der konkrete Erfolg blieb ihr zwar versagt, doch führten ihre Bemühungen zur Gründung einer Initiative von New Yorker Künstlern, die 1967 eine erste US-Rechtsverordnung zum Schutz des Copyrights erwirkte.

In den folgenden Jahren gerät Rileys Werk in Bewegung: Sie widmet sich verstärkt der Öffnung ihrer Arbeit zur Farbe hin. Die Präsentation des Düsseldorfer Kunstvereins veranschaulicht die Werkgenese anhand der Bildauswahl und einer geschickten, antichronologischen Hängung. Schon zu Beginn ihrer künstlerischen Laufbahn setzte sich Riley stark mit den Impressionisten auseinander, vor allem mit Monet, Cézanne und Seurat, den sie 1959 kopierte. Ihr Interesse für die Dynamik der Farbe fließt nun deutlich in ihr Werk ein: Inspiriert von Mondrians „Broadway Boogie Woogie“ realisiert sie ab 1967 farbige Streifenfolgen, wie „Chant 2“ oder „Late Morning 1“ – musikalisch geprägte Wechselspiele aus Ruhe und Bewegung, aus Stillstand und Tempo.

Ab 1969 – in diesem Jahr entsteht „Byzantium“ – widmet sie sich reinen Farben: Blau, Rot, Grün – und erzielt visuelle Überstrahlungen, die das Auge in Unruhe versetzen, was einen Kritiker später dazu veranlasst, von einer „Vergewaltigung des Auges“ zu sprechen. Tatsächlich schwankt ihr Werk in den Siebzigerjahren zwischen Schock und Dekoration – und gibt sich zudem wenig zeitgemäß. Doch Riley verweigert sich der Anpassung an Geschmäcker; widmet sich ausgedehnten Reisen, erkundet in immer neuen Wellenformen die möglichen Ebenen der Farbe aus.

Ab 1980 gelingt ihr ein Neuanfang: Inspiriert durch Reisen nach Indonesien und Ägypten findet sie Zugang zu einer differenzierteren Farbpalette, die vor allem von irisierenden Gelb- und Orangetönen dominiert wird, wie etwa in „Cherry Autumn“ von 1983. Die strengen Geometrien der früheren Arbeiten werden nun von Diagonalstrukturen abgelöst, so zu sehen im 1987 entstandenen Werk „Ease“.

Das aktuelle Porträt in Vogue zeigt die alterslos wirkende Riley vor einem ihrer jüngsten Werke: „Rêve“, auch das Schlussbild der Düsseldorfer Schau. Es besteht aus geschwungenen Elementen, die nur noch entfernt an Rauten erinnern. Riley steht davor, im roten Pullover, mit burschikosem, schwarzem Haar, agil, lächelnd. Sie steht für ein mit größtmöglicher Konsequenz verfolgtes Lebenswerk, das auch Vorbild für die jüngste britische Malergeneration ist, darunter der letztjährige Turner-Preisträger Chris Ofili.

Bridget Riley – ausgewählte Gemälde, bis 9. 1. 2000, Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen, Düsseldorf. Ein 144-seitiges Katalogbuch zur Ausstellung ist im Verlag Hatje/Cantz erschienen.

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