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Das Freizi kann nicht feiern

■ Der Wiederaufbau des abgebrannten Jugendfreizeitheims Neustadt wurde mit Beteiligung der Jugendlichen geplant. Aber jetzt fehlt Geld für die Realisierung

Kahle, weiße Kellerwände, eine Neonröhre, eine Tischtennisplatte, drumherum fünfzehn Jungen. Manche spielen Rundlauf, die anderen kucken zu. Seit drei Jahren ist das Alltag im Jugendfreizeitheim Neustadt. Damals brannte das Haus aus ungeklärter Ursache ab. Benutzbar blieben nur die Sporthalle und der Keller, wo ein provisorischer Aufenthaltsraum eingerichtet wurde. Mehr als die eine Tischtennisplatte passt nicht hinein. Das improvisierte Büro nebenan teilt sich Sozialarbeiter Henrick Bressem mit den Kids, die schon fast auf seinem Schoß sitzen, wenn sie an einem der fünf PCs „Siedler“ spielen.

Die Mädchen sind nach dem Brand ausgezogen und haben ein Übergangsquartier bezogen. In die Ruine kommt nur selten eins von ihnen. Doch bald soll all das ein Ende haben. Ab Februar 2000 wird das Jugendfreizeitheim wieder aufgebaut, schöner und größer als früher. Dazu haben die Jugendlichen selbst beigetragen: Im Planungsprozess waren sie beteiligt und entwickelten in einer „Zukunftswerkstatt“ eigene Ideen. Damit nahmen sie sogar am Wettbewerb „Bürgerorientierte Stadt“ der Bertelsmann-Stiftung teil, bei dem Bremen den zweiten Preis holte (taz berichtete). Vor allem soll das Dach schräg aufgestellt und seitlich verglast werden. So entsteht ein lichtes Zentrum für das Haus, in das Galerien eingezogen werden können. Im gewonnenen Raum soll es unter anderem ein Internet-Café geben.

Aber die Verbesserungen haben auch einen Nachteil: Die regelmäßige Disco kann im Zentralbereich des Hauses nicht mehr stattfinden. Schon früher gab es Konflikte mit den Nachbarn wegen der Lärmbelästigung. Durch das verglaste Dach wäre der Schall nun noch weniger gedämpft. Deshalb haben die Jugendlichen mit dem Architekten eine andere Lösung entwickelt: Durch einen halbrunden Anbau ohne Fenster soll ein schallisolierter Raum ausschließlich für Discos, Schulfeste und Ähnliches entstehen, der die Nachbarn vom Partylärm verschonen würde.

Doch dafür fehlen nun die notwendigen Mittel. Rund 160.000 Mark müssten noch aufgebracht werden, um den Wiederaufbau des Jugendfreizeitheims im geplanten Umfang zu realisieren – knapp ein Zehntel der gesamten Bausumme. „Dieser Fehlbetrag geht nicht nur auf die Ideen der Jugendlichen zurück“, sagt Projektleiter Hans-Günter Schwalm, „sondern auch auf die Anforderungen an behindertengerechtes Bauen und die jahrelange Verzögerung, die zu Folgeschäden führte.“ Schwalm hofft nun auf weitere Sponsorengelder.

Bei der Stiftung Wohnliche Stadt, die bereits eine Viertelmillion Mark zusagte, hat er einen Nachbewilligungsantrag gestellt. Horst Heise von der Stiftung stellte allerdings bereits klar, dass die Stiftung allenfalls eine Ko-Finanzierung in Höhe von maximal 50 Prozent übernehmen könnte. Den Rest müsse das Sozialressort selbst aufbringen, das am ganzen Projekt bislang erst mit 30.000 Mark oder rund zwei Prozent der zugesagten Mittel beteiligt ist. Dort signalisiert man allerdings „Tasche leer“: Sprecher Jörg Henschen sagt, derzeit stünden keinerlei zusätzliche Mittel für das Freizi zur Verfügung. Außerdem geht er davon aus, dass die Disco auch im Keller stattfinden könnte. Laut Sozialarbeiter Bressem wurde dagegen „amtlich festgestellt“, dass dort die Deckenhöhe nicht ausreicht.

Für den Moment scheint es, als hätten sich die Jugendlichen mit ihrer eigenen Kreativität um ihre Disco gebracht. Dabei sagen sie, dass gerade die Disco die meisten Jugendlichen in das Freizi zieht. „Und es ist doch besser, wenn wir hierher kommen, als wenn wir draußen abgammeln und Mist bauen“, sagt Jetmir Hoti (17). Das Vertrauen der Jugendlichen in die Behörden ist nach drei Jahren des Wartens erschüttert. Manche glauben gar nicht mehr an den Wiederaufbau. not

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