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Pong!

■ Mit einer feinen kleinen Ausstellung namens „Damenwahl“ erwecken Corinne Wasmuht und Jason Rhoades in der Kunsthalle die tot geglaubte Malerei zu neuem Leben und machen aus dem Cage-Raum eine Spielhölle

Die Oper ist tot. Die Malerei ist tot. Und die Collage wird irgendwann durch die Elektronik ersetzt. An solche und ähnliche Unkenrufe der Herren Nam June Paik und Co. hat sich der geneigte Kunstfreund und die gebeugte Kunstfreundin längst so sehr gewöhnt, dass sie sie für wahr gehalten haben. Doch eines schönen Tages kommt plötzlich eine junge Künstlerin daher und beweist das Gegenteil: Corinne Wasmuht heißt sie. Die 1964 geborene Düsseldorferin ist so eine Introvertierte unter den KünstlerInnen, doch sie malt so kraftvoll-magische Bilder, dass man darin ersaufen möchte. Die Malerei, so strahlt Dir aus fast jedem ihrer Kunstwerke entgegen, ist nicht tot. Und die Bremer Kunsthalle, die Corinne Wasmuht in einer Doppelausstellung mit Jason Rhoades jetzt erstmals in Bremen ausstellt, ist es ohnehin nicht. Denn mit dieser Schau (und der passend dazu noch laufenden Nam-June-Paik-Retrospektive) beweisen die Leute um den Kunsthallenchef Wulf Herzogenrath einmal mehr, was für ein quicklebendiges und jugendfrisches Programm in der schönen alten Halle gemacht wird.

Corinne Wasmuht erzeugt mit ihren Bildern so eine Art Radziwill-Effekt, obwohl ihre Kunst mit diesem magischen Realismus außer dem Begriff kaum etwas zu tun hat. In Fleiß-fordernder Lasurtechnik lässt sie Phantasieräume und -organismen entstehen oder plündert Motive aus ihrem umfangreichen Bildarchiv für Collagen in Öl auf Holz. Während Wasmuht mit ihren organischen Gebilden durchaus Konkurrenz hat, sind gerade die Motivcollagen ungewöhnlich – einmalig beeindruckend sind sie sowieso.

Da hängt ein Bild namens „Astronauten“ in den Medienkunst-Räumen oben in der Kunsthalle. Es zeigt eine Grotte mitsamt ihren Stalagmiten und Stalaktiten. Die Farben wirken irgendwie durchs Betrachterauge am Verstand vorbei und treffen gleich die Sinne. Doch in dieser Grotte wimmelt es dazu noch von Taucher-, Kosmo- und Astronauten-Motiven. Die aus Büchern wie „Was ist was?“ und anderen Quellen entnommenen Figuren sind in verschiedenen Perspektiven dargestellt. Sie scheinen durch die Grotte zu fliegen und sind doch in Kristallen eingegossen wie Insekten im Bernstein. Buchstäblich versinken kann man in diesem Bild oder auch in einem anderen Werk, das Wasmuht erst nicht betitelt und dann doch in Klammern „Menschen im Kunstlicht“ genannt hat. Es zeigt wieder perspektiv-verschachtelte Bildmotive. Diesmal stammen sie sozusagen aus Medizin und Musik. Und doch haben diese Bilder eine Aura, die weit über die bloße Collage von Bildmotiven hinausreicht.

Mit Corinne Wasmuht ist da mal eine Künstlerin, die unser Zugehageltsein mit Bildern und Bildfetzen thematisiert. Mit den schon tot geglaubten malerischen Mitteln spiegelt sie ein Leben, in dem die meis-ten Informationen durch Medien vermittelt sind. Doch im Gegensatz zu vielen anderen KünstlerInnen spricht sie dabei auch das Unterbewusste an. Wer weiß schon, wieviel in unseren Träumen medial vermittelt ist? Bei Wasmuht bekommt man eine Ahnung davon, dass der Anteil sehr groß sein muss.

Ganz ähnlich, ganz anders nimmt sich ihr Ausstellungspartner Jason Rhoades die mediale Vermittlung vor. In der Reihe „Damenwahl“ der Siemens-Kulturstiftung, in der sich jeweils eine Künstlerin einen Künstler aussucht, fiel Wasmuhts Wahl auf den 1965 geborenen Kalifornier. Mit seinen Beiträgen zu den Kunst-Biennalen und der angeblich größten Innenskulptur der ganzen Welt namens „Perfect World“ in den Hamburger Deichtorhallen ist Rhaodes inzwischen zu einem Shooting-Star unter den jüngeren KünstlerInnen geworden. Für seinen Beitrag zur „Damenwahl“ hat er eine Installation im Cage-Raum aufgebaut.

Wer den kleinen Saal unterm Dach der Kunsthalle betritt, hört zunächst die eher leisen Geräusche aus den Lautsprechern John Cages. Doch im Raum stehen 18 alte Telespiel-Automaten, die durch ein Gerüst aus Alustangen überbrückt und in etwa vier Metern Höhe mit einer Kopie von Klimts Beethoven-Fries in der Wiener Secession umhängt sind. Sobald man in den Raum eintritt, wird es laut: Bewegungsmelder schalten die Daddelautomaten an. Die Benutzung ist übrigens ausdrücklich erwünscht.

Bei seinen vielen Ausstellungen („Ich kann nicht nein sagen.“) hat Rhoades halb Europa und die Hälfte der USA in ein Materiallager für seine Installationskonzepte verwandelt. Die Alustangen hat er reichlich für die „Perfect World“ in Hamburg eingekauft und wohl von dort abgezwackt. Die Daddelautomaten standen vorher in der Wiener Secession, die er kurzerhand in eine Spielhölle verwandelt hat. Wie Schwitters Merzbau oder vielleicht auch wie ein mobiler Turm zu Babel wachsen seine Installationen bei jedem Ortswechsel weiter. In der jetzigen Station Kunsthalle lässt Rhoades nicht nur Klimt und Cage aufeinander treffen. Er erklärt mit den bis zu 26 Jahre alten und von ihm regelrecht geliebten Daddelautomaten auch Alltagskultur zur Kunst oder fragt zumindest danach. Irgendwann wird ein Museum die wie auch immer weiter entwickelte Installation kaufen. Und irgendwann später werden unsere Kindeskinder halb gerührt, halb belustigt an diesen Automaten daddeln, an denen „Terminator“ oder „Pong“ steht. Einen ordentlichen Radau macht Rhaodes Installation jetzt schon. Aber nur, wenn man sich bewegt, also noch lebt.

Christoph Köster

„Damenwahl“ bis zum 13. Februar in der Kunsthalle; „Perfect World“ bis zum 5. März in den Deichtorhallen, Hamburg

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