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Eine Bühne voller Paradiesvögel

■ Der Schauspieler und Regisseur Helmut Baumann spielt mal wieder die (Travestie-) Rolle seines Lebens: Das Musical „La Cage aux Folles“ ist jetzt im Theater am Goetheplatz als opulentes und gefeiertes Spektakel zu sehen

Eine Travestieshow ist wohl erst dann perfekt, wenn man Männlein und Weiblein auf der Bühne tatsächlich nicht voneinander unterscheiden kann. Genau dies passiert bei der am Samstag Abend im Theater am Goetheplatz (für hanseatische Verhältnisse ungewöhnlich) stürmisch gefeierten Premiere des Musicals „La Cage aux Folles“ („Ein Käfig voller Narren“): Unter die als Frauen verkleideten Tänzer und Sänger der spektakulären Shownummern hatte Helmut Baumann auch mindestens eine Frau geschmuggelt. Als Zuschauer war man irritiert, guckte in der Pause auf den Besetzungszettel und wurde doch erst nach dem Ende des Stücks bei den Verbeugungen aus seinen Zweifeln erlöst. Ein kleiner, raffinierter Regietrick, der den Kitzel des Stücks unterschwellig verstärkt, denn in „La Cage aux Folles“ geht es ja auch um die grundsätzliche Frage, ob homosexuelle Männer die besseren Frauen sind.

Nicht nur das Stück, sondern auch diese Fassung sind unverwüstlich: 1973 schrieb es der französische Schauspieler Jean Poiret sich und Michel Serrault auf den Leib, dieser spielte die männlich/weibliche Rolle von Albin/Zaza auch in der weltberühmten Verfilmung. 1983 machten die Amerikaner Jerry Herrman und Harvey Fierstein ein Broadway-Musical daraus, und gleich danach betrat schon Helmut Baumann die Bühne. Der damalige Direktor des Berliner Theaters des Westens sicherte sich die Rechte für die europäische Erstaufführung, inszenierte eine sogenannte „Berliner Fassung“, die noch frecher, schlanker und pointierter als das Original war. Er spielte zudem die Rolle von Albin/Zaza selbst, und tat dies seitdem über 500mal.

Nach fünf Jahren Pause tritt er jetzt in Bremen wieder in dieser Rolle seines Lebens auf, und man merkt natürlich sofort, dass sich da kein Regisseur und Darsteller an einem Stück versucht hat, sondern dass er es bis ins kleinste Detail souverän beherrscht.

Das hat allerdings nicht nur Vorteile, denn seinen Mitspielern fiel es oft sichtlich schwer, mitzuhalten. Der arme Fritz Hille etwa spielt George, den langjährigen Gatten von Albin/Zaza und Besitzer des Nachtclubs „Cage aux Folles“. Dies ist ohnehin eine schwierige Rolle, denn er ist immer der vernünftige, eher konformistische und blasse Gegenpol zu dem Paradiesvogel Albin. Wahrscheinlich gibt es kaum einen Schauspieler, der hier nicht von Baumann, der die Rolle auf der Bühne wirklich zu leben scheint, überrollt worden wäre, aber es bleibt der Eindruck einer eher enttäuschenden Leistung von Hille, dem man immer anmerken konnte, wie sehr er sich bemühte, alles richtig zu machen.

Zumindest noch mehr Lacher als Baumann (und dies ist bei solch einem Stück einer der wichtigsten Gradmesser) bekam dagegen Robert S. Drummond in der Rolle des Butlers, der unbedingt Zofe und Showstar sein will. Seine gewagten Kostüme, bissigen Kommentare und komischen Showeinlagen waren genau getimte Running gags. Und weil diese Figur – wie auch alle Darsteller im Nachtclub – so angelegt ist, dass sie sich so tuntig und theatralisch wie möglich geben muss, ist es bei der Darstellung fast unmöglich, zu übertreiben.

Das Bühnenbild und die Kostüme wirken prächtig – Baumann versteht das Musical zwar „nicht als Event-, sondern als Musiktheater“, aber bei der Ausstattung wurde hier bestimmt nicht gespart. „La Cage aux Folles“ ist ja eines der letzten traditionellen Musicals. Schon bei der Erstaufführung war es fast ein Anachronismus, denn in den frühen 80er Jahren setzte der Musicalmacher Andrew Lloyd Webber eigentlich schon die Maßstäbe. In den besten Momenten werden aber Show und Geschichte, Gesang und Darstellung mit großer Leichtigkeit zu einer Einheit verschmolzen. So etwa, wenn Zaza sich mitten in einer Shownummer auf der Bühne (der fiktiven des Stücks und der realen) die Perücke vom Kopf reißt und „Ich bin, was ich bin“ singt. Das eindeutig beste Lied des Stückes – in der emotional aufgeladensten Situation. Und Baumann singspielt es so, dass mit der Perücke auch alle Attitüden von der Figur abfallen und Albin als sehr bewegend um seine Würde und seine Einzigartigkeit kämpfender Mensch vor uns auftaucht. Die Narren sägen an ihrem Käfig, und dass sie dies so musikalisch, charmant und wunderbar unterhaltsam machen, ist die schöne Pointe des Stücks. Wilfried Hippen

Aufführungen: 21., 26. und 31. Dezember um 19.30 Uhr; am 31. Dezember auch um 15 Uhr; 15. 18. und 27. Januar um 19.30 Uhr sowie am 16. Januar um 15.30 Uhr

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