: Emporkömmling mit langem Atem
■ Trotz Rückschlägen geht die kostenlose „Zeitung zum Sonntag“ in die Offensive: In Freiburg soll das journalistisch anspruchsvolle Projekt nun auch unter der Woche erscheinen
Während sich kostenlos verteilte Tagesblätter derzeit – zuletzt in Köln (siehe taz vom 14. 12.) – zum neuesten Zeitungstrend auswachsen, wurde die kostenlose Zeitung zum Sonntag (ZuS) schon oft genug totgesagt. Spätestens seit sich Ende September der als Mitfinanzier aufgetretene Hamburger Verlag Gruner + Jahr grußlos aus dem journalistisch aufwendig gestalteten Freiburger Anzeigenblatt verabschiedete, mochte jedenfalls niemand mehr so recht an dessen Zukunft glauben. Zumal die beiden von G + J gegründeten ZuS-Ableger in Heilbronn und Karlsruhe schließen mussten.
Die von den Hamburgern zwischenzeitlich propagierte Idee, derartige Sonntagszeitungen bundesweit an bis zu 20 Standorten zu verteilen, war somit begraben. Dem lästigen Störenfried ZuS würde nun bald auch in Freiburg das Lebenslicht ausgeblasen. So hoffen es zumindest die Großen der Branche – allen voran der lokale Monopolist Badische Zeitung (BZ) und mit ihr weitere Regionalblätter: Vom Südkurier bis zur Saarbrücker Zeitung (beide aus dem Holtzbrinck-Verlag), von der Stuttgarter Zeitung bis zum mächtigen Springer-Verlag (Bild am Sonntag) hatten die Medienkonzerne in selten erlebter Union und Angst um ihre Anzeigenpfründen dem im November 1997 gegründeten Emporkömmling zunächst juristisch, später dann vornehmlich publizistisch zugesetzt.
In Freiburg aber scheint den Verleger Michael Zäh der Lebensmut nicht verlassen zu haben. Man habe nach dem Rückzug von G + J die Möglichkeit gehabt, sich auf den Sonntag zu konzentrieren, die Redaktion abzuspecken und auch andere Kosten zu senken. Logisch, dass aus diesem Anlass eine neue Parole ausgegeben wurde: „Ausweiten!“
Über die nötigen Mittel für die Expansion verfügt man
Für das Frühjahr 2000 plant Zäh für die ZuS weitere Ausgaben an vier Wochentagen. Demnach sollen die 165.000 Haushalte in Freiburg und im nördlichen Breisgau ihr Gratisblatt nicht nur am Sonntag, sondern auch dienstags bis freitags erhalten. Samstag und Montag würden frei bleiben – sie wären durch das Wochenendangebot mit abgedeckt. Damit wäre die ZuS praktisch eine Tageszeitung – nur eine, die’s umsonst gibt.
Journalistisch anspruchsvoll ist das in seinem professionellen Outfit an die Woche erinnernde Blatt ohnehin gemacht. Von der Politik über Sport und Kultur bis zum Lokalen finden sich alle klassischen Zeitungsressorts. Es gebe Bedarf für mehr ZuS, meint Zäh. Das höre die Redaktion aus dem Leserkreis in der Studentenstadt immer wieder. Außerdem habe kürzlich auch eine Studie bei der Gesellschaft Media-Markt-Analyse (MMA) der ZuS eine hohe Akzeptanz in der Bevölkerung beschieden und eine Ausweitung auf weitere Wochentage positiv bewertet.
Über die nötigen Mittel dafür scheint der Kleinverlag mit seinen 35 Mitarbeitern – darunter 12 Redakteure – jedenfalls zu verfügen: Die Mittel könnten direkt aus der Portokasse von Gruner + Jahr stammen. Der zum Bertelsmann-Konzern gehörende Großverlag soll bei seinem schnellen wie ruhmlosen Abschied kräftig in die Tasche gegriffen haben. Wie viel Geld von der Elbe an die Dreisam geflossen ist, darf Zäh nicht sagen: „Dazu habe ich mich vertraglich verpflichtet.“ Nur so viel könne er mitteilen: „Wir haben ein gutes Ergebnis erzielt.“ Vielleicht sind ja die „4 Millionen Mark Lehrgeld“, die G + J laut Süddeutsche Zeitung (SZ) „im Badischen“ gelassen habe, eine realistische Größe.
Die Konkurrenz gibt sichungläubig-gelassen
Bei der Badischen Zeitung, die bislang eine eigene Sonntagszeitung gegen die ZuS aufbietet, trägt man indessen Gelassenheit zur Schau. „Der Herr Zäh hat schon viel angekündigt und es dann nicht eingehalten“, sagt BZ-Geschäftsführer Christian Nienhaus. Beispielsweise habe Zäh noch eine Woche, bevor die Karlsruher Ausgabe einstellt wurde, dem Branchendienst „kress“ gesagt, er wolle den Standort erhalten. Zudem zweifelt Nienhaus an, ob Zäh wirklich ein so teures Projekt auf die Beine stellen kann. Schon allein die Kosten für den Vertrieb seien für eine Zeitung, die fünf Mal in der Woche erscheinen wolle, „immens“. „Das kann Zäh nie und nimmer leisten“, glaubt der Verlagsmanager. Es sei auch insgesamt zweifelhaft, ob der Konkurrent wirklich so viel Geld flüssig habe, wie er vorgebe.
Zäh selbst vermeidet die direkte Konfrontation mit dem Wettbewerber. Seine Zahlen sehen ohnehin anders aus. „Wir machen schon heute in Freiburg mit jeder Ausgabe 40.000 Mark Gewinn“, hält er dagegen. Der angestrebte Umsatz von 7 Millionen Mark für 1999 werde erreicht. Die ZuS habe damit ihr Ziel, sich nach den ersten drei Jahren selbst zu finanzieren, „alleine geschafft“. Für die Ausweitung auf die vier Werktage müsse nun ein neuer Dreijahresplan her. Dann soll das Ganze von vorn losgehen. Vorausgesetzt, die Totgesagten leben noch ein wenig länger.
Wolfgang Messner
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