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■ Gestern verkündeten Hans Eichel und Gerhard Schröder ihre Pläne zur Unternehmens- und Einkommensteuerreform, die die Bürger um insgesamt 73 Milliarden Mark entlasten soll. Es war ein gelungener Überraschungscoup. Die rot-grüne Koalition gewinnt weiter an FahrtDie Regierung lernt das Regieren

Der tragische Held fehlte. Als der Finanzminister und der Kanzler höchstpersönlich die „größte Steuerentlastung in der Geschichte der Bundesrepublik“ verkündeten, war von SPD-Fraktionschef Peter Struck nichts zu sehen.

Im Sommer noch wurde Struck für einen Vorschlag zum politischen Idioten erklärt, der nun zur Regierungslinie wird. Die rot-grüne Koalition stellte gestern ihre Steuerpläne vor, die eine Entlastung für Bürger und Unternehmen in Höhe von 73 Milliarden Mark bringen sollen. Erst mit diesem „großen Wurf“ sitzen die Koalitionäre fest im Sattel. Seit gestern hat das Land eine Regierung, die diesen Namen verdient.

Die Regierung wird den Eingangssteuersatz auf 15 Prozent drücken, jenen Tarif also, zu dem die Besteuerung von Kleinverdienern beginnt – genau so hatte es der Fraktionschef gewollt. Der Spitzensteuersatz, den jene bezahlen, die pro Jahr ein paar hunderttausend Mark einnehmen, wird auf 45 Prozent sinken – auch Struck wollte Spitzenverdiener kräftig entlasten.

Schröder und Co. verknüpfen Steuererleichterungen für die Wirtschaft mit Geschenken für Otto Normalverbraucher – so wie es der Fraktionschef gewünscht hatte. Und doch war der Mann mit der Pfeife der bad guy. Während Finanzminister Hans Eichel (SPD) und Kanzler Gerhard Schröder jetzt die Strahlemänner sind.

Der Unterschied zwischen damals und heute liegt in der Vermeidung handwerklicher Fehler und im Vorgehen nach einem präzisen Zeitplan. Und natürlich in der medialen Präsentation. Peter Struck ließ sich in der Sommerpause seine plausiblen Pläne einer Stufensteuer von zwei Magazinjournalisten entlocken. Was die Schröder-Truppe in den letzten beiden Tagen inszenierte, war – Weihnachten: Sie nahm ein Steuergeschenk, verpackte es hübsch und präsentierte es charmant.

Ausgewählte Printmedien wie die Financial Times wurden am Montag mit Eckpunkten der geplanten Reform bedient. Auch das Fernsehen durfte schon vorgestern Abend berichten. Trotzdem war die Meute der Reporter und scharfzüngigen Analysten gestern so baff, dass ihnen zunächst gar keine Frage zu der großen Steuerreform einfiel – und dann fast nur noch diese: „Jetzt scheint Ihnen alles zuzufallen, Herr Schröder. War das geplant?“

Der Kanzler genoss es. Er kostete seinen Triumph mit gespielter Zurückhaltung aus. Der Glaube, dass diese Regierung es könne, „erhärtet sich – langsam“. So gab er zurück, was der Oppositionschef vor nicht allzu langer Zeit noch als Hauptkritik im Munde führte: „Die können es nicht“, seufzte Wolfgang Schäuble gern. Gerhard Schröder mimte ein wenig auch den coolen Max, seine Lieblingsrolle. „Ob Herr Henkel kommt oder nicht, muss er selber wissen“, piekste er den Cheflobbyisten der deutschen Industrie, Hans-Olaf Henkel. Der hatte das Treffen des „Bündnisses für Arbeit“ am Tag vor Weihnachten verschieben wollen. Daran, so der Kanzler souverän, ist nicht gedacht.

Sie genossen den Augenblick und wollten über die ferne Zukunft lieber schweigen. Gestern strahlte die Fassade der Mega-Steuerreform glamourös. Die Frage, was morgen sein wird, ließen die Weihnachtsmänner aber weitgehend unbeantwortet.

Selbst wenn die Spitzensteuersätze von Wirtschaft (38 Prozent ab 2001) und Einzelpersonen (45 Prozent ab 2005) sich angenähert haben: Dem verfassungsrechtlichen Verbot des Tarifunterschieds zwischen beiden ist damit keineswegs Genüge getan.

Hans Eichel war auch überzeugt davon, „dass wir diese Steuerreform im Sommer im Gesetzblatt stehen haben werden“. Die Zustimmung der Länder braucht er dennoch. Ihr Plazet hängt eben von dem ab, was die Länder für das Steuergeschenk bezahlen müssen. Und genau bei dieser wichtigen Frage druckste Eichel herum: „Das steht dann alles ganz genau im Referentenentwurf.“ Das bedeutet aber: 73 Milliarden Mark muss der Staat aufbringen – und der Finanzminister weiß nicht, wieviel davon jeweils auf Bund und Länder entfallen.

Allein, dafür interessiert sich niemand. Denn Weihnachten ist das Fest der Vergebung: Wir brauchen eine Steuerreform, hatte Peter Struck gesagt, „die diesen Namen verdient“. Im Sommer war das ein dummer Satz. Jetzt hat er Recht bekommen.

Christian Füller

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