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Falsch programmiert ■ Berlins Politiker auf dem Weg ins Jahr 2000
Sind Berlins Politiker richtig programmiert? Oder droht ihnen auf dem Weg ins neue Millennium der Absturz? Kaum jemand hätte vor Jahresfrist noch seinen Kopf darauf verwettet, dass die Kämpen des alten Westberlin zur Jahrtausendwende noch im Amt wären. Jetzt aber sitzen sie, so scheint es, fester im Sattel denn je: Von den gut zwei Dutzend Senatoren und Staatssekretären im neuen Kabinett kommt gerade eine einzige aus dem Ostteil der Stadt.
Doch die Akteure wissen selbst: Sie haben sich zum letzten Mal an den neuen Realitäten vorbeigemogelt. Denn von Anfang an war die große Koalition nichts anderes als ein Versuch, die verwundete Westberliner Seele über die neue politische Wirklichkeit hinwegzutäuschen: Die PDS hat sich im Ostteil der Stadt als stärkste politische Kraft etabliert, und für viele Konservative sind die Grünen längst kein Schreckgespenst mehr.
Das neue Jahr wird daher politische Planspiele bringen, die sich bis zur nächsten Wahl zu neuen Tatsachen auswachsen könnten. Rot-Rot-Grün oder Schwarz-Grün – das sind die strategischen Alternativen, die sich nach weiteren fünf Jahren einer zermürbenden großen Koalition stellen werden.
Für CDU und SPD beginnt ein Wettlauf um neue politische Partner, der die Machtverhältnisse langfristig festlegen kann. Gelingt den Sozialdemokraten der Schulterschluss mit der PDS, wäre die Union für lange Zeit aus dem Spiel – auf eine absolute Mehrheit kann sie in der traditionell linken Stadt nicht hoffen.
Eine solche Perspektive aber wird in der CDU die Bereitschaft wachsen lassen, es mit den Grünen zu versuchen. Immerhin befürworten drei der vier CDU-Senatoren ein Bündnis dieser beiden bürgerlichen Parteien. Die Grünen wiederum, von langen Jahren der Opposition zermürbt, haben an neuen Optionen ein existenzielles Interesse: Scheitert der Sprung in die Regierung erneut, steht die Partei vor dem Aus.
Wie das Rennen ausgeht, entscheidet vor allem die SPD. Nur wenn sich die Partei bis zur nächsten Wahl wieder aufrappelt und die PDS deutlich hinter sich lässt, kann sie ein Bündnis mit den Sozialisten wagen. Sonst wird die SPD von der politischen Festplatte Berlins gelöscht. Ralph Bollmann
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