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Verdi für PuristInnen

■ Auf einer kulissenfreien Bühne hat das Bremerhavener Stadttheater Verdis selten gezeigte Oper „Ernani“ inszeniert und damit ein hörenswertes Experiment gewagt

Drei Männer streiten um eine Frau. Der eine, ein spanischer Grande im hohen Alter, will die junge Elvira heiraten, aber sie will ihn nicht. Die beiden jugendlichen Rivalen sind über Geschichten ihrer Väter zu Feinden geworden. Don Carlo hält die Macht in seinen Händen, er ist König von Spanien. Der andere lebt im Untergrund: Ernani, die Titelfigur dieser frühen Verdi-Oper, ist ein romantischer Räuberhauptmann. Wen will die Frau? Sie ist ebenfalls romantisch, sie zieht den Mann im Untergrund vor. Selbstverständlich gibt es in einer solchen Oper kein Happy End.

Das Stadttheater Bremerhaven hat das selten gespielte Werk des damals 30-jährigen Komponisten nun auf die Bühne gebracht. Giuseppe Verdis Oper wird dort allerdings nicht als opulenter Bilderbogen in Szene gesetzt, sondern als konzertante Aufführung. In der zum Musiksaal umfunktionierten Turnhalle der ehemaligen amerikanischen Kaserne in Weddewarden am nördlichen Stadtrand Bremerhavens wird auf diese Weise aus der Oper ein Oratorium.

Das Städtische Orchester – Leitung Leo Plettner – sitzt auf dem breit gestreckten Podium, das kaum Tiefe besitzt. Der große – gelegentlich nach Männern und Frauen geteilte – Chor tritt stets zügig auf und ab, er muss sich im Hintergrund drängeln, die schwarz gekleideten Solisten stehen weiter vor ihren Notenpulten. Die strenge Choreografie der Kirchenmusik und die hitzige, dramatische Kraft des Verdi-Klangs, wie kann das zusammengehen? Es ist nicht leicht, ohne die Bilder auszukommen. Denn Verdis Musiktheater erzählt eine wild bewegte Geschichte, sie spricht Ohren und Augen an.

Hier aber können die Ohren wenig verstehen (soweit ihre BesitzerInnen kein Italienisch sprechen), und die Augen haben keine Abwechslung. Die Bremerhavener TheatermacherInnen wollten aus ihrer Raumnot – das städtische Theatergebäude ist wegen Renovierungsarbeiten geschlossen – eine Tugend machen und bieten dem Publikum quasi einen „Blick hinter die Kulissen“.

Doch eine Bühne, die wie jene in der Kaserne auf jegliche Kulisse verzichtet, verdeutlicht, dass Verdis musikalische Textur trotz allen lyrischen Schmelzes und aller dramatischen Wucht als pures Hörerlebnis ermüdend wirkt. Der scheidende Generalmusikdirektor Leo Plettner hat das Städtische Orches-ter bestens im Griff, sein analytischer, niemals zur Überhitzung neigender Stil bevorzugt Durchsichtigkeit und Klarheit. Er sorgt gezielt für zupackende Momente, die jeweiligen Aktschlüsse mit ihren Chorensemble-Szenen werden zu feurigen Höhepunkten.

Strahlkraft entwickelt die Sopranistin Mariana Anghelowa in der Rolle der dreifach geliebten Elvira. Der amerikanische Tenor Michael Austin singt Ernani mit klangschöner, aber zeitweilig angegriffener Stimme, der Bariton Oscar Quezada als Don Carlo wirkt stimmlich häufig angestrengt.

Zur Überraschung des Abends wird der junge Bassist Guido Jentjens. Der Sänger vom Staatstheater Karlsruhe, dem die reiche Erfahrung mit Bach'scher Passionsmusik anzuhören ist, macht mit seiner warmen, hochkultivierten Stimme aus dem törichten alten Grande DaSilva einen jugendlichen Melancholiker, der die schönsten Klagelieder auf die Liebe singt. Hier wird hörbar, was Bilder möglicherweise zugedeckt hätten. Denn der Alte ist ein verdammter Starrkopf, am Ende besteht er darauf, dass Ernani sich wie versprochen umbringt. Das Horn hatte er dem liebeskranken Grande überreicht, als Zeichen des Bündnisses gegen den gemeinsamen Rivalen König Carlos. Er muss jedoch schwören, dass nach der Rettung vor dem König sein eigenes Leben an DeSilva verfällt, sobald dieser das Horn ertönen lässt.

Die vereinbarten drei Töne kommen genau in dem Moment, als Ernani und Elvira ihre Hochzeit feiern. Diese dramatische Zuspitzung wirkt eher komisch als überzeugend und Verdis harmlos-freundlicher Walzertakt im hochdramatischen Schlussterzett klingt wie eine vorauseilende Distanzierung von der allzu kruden Story. „Ernani“ als konzertante Aufführung ist nicht nur für eingefleischte Verdi-Fans zu empfehlen. Das Bremerhavener Stadttheater wagt ein hörenswertes Experiment. Hans Happel

Aufführungen: 5., 7., 14. und 22. Januar, 20 Uhr, im Musik- und Konzertsaal der Carl-Schurz-Kaserne in Weddewarden. Karten unter Tel.: 0471/49 001

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