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Da könnte man sich ja gleich die Kugel geben

betr.: „Ihr Kind wird die Welt hassen“, taz.mag Silvester 1999

Ich frage mich, wie man in der taz einen so materiellen/materialistischen Artikel über Elternschaft beziehungsweise Kindsein schreiben kann. Kann sich Frau Lange gar nicht vorstellen, dass jemand, der wenig Geld/gesellschaftlichen Erfolg hat, ein glückliches Leben führen kann? Dass es ein Leben abseits des gesellschaftlichen Mainstreams gibt? Offensichtlich nicht.

Ich kenne allein erziehende Elternteile, die mit vier(!) Kindern in einer Zwei-Zimmer-Wohnung wohnen. Diese Kinder müssen nach Lesart von Frau Lange ihre Welt hassen – tun sie aber nicht. Andererseits kenne ich Einzelkinder (mittlerweile über 30 Jahre alt), die alles Materielle besitzen, die eine gute Bildung genossen haben, die gesund sind, für die die Eltern „alles tun“, die also nach der Lesart von Frau Lange ihre Welt lieben müssten – es aber nicht tun. Stattdessen nörgeln die den ganzen Tag über rum, wie ungerecht die Welt zu ihnen ist ... Dies sind mit Sicherheit keine Einzelfälle. Woraus man erkennt, dass das ganze Thema deutlich komplexer ist und dass persönliches Glück keine Frage des Geldbeutels ist.

Daneben kann ich die Hoffnungslosigkeit von Frau Lange nicht teilen. Da könnte man sich ja gleich die Kugel geben. Auch wenn es die Pessimisten nicht wahrhaben wollen: Viele Sachen (und damit meine ich nicht die materiellen Dinge) sind einfach besser geworden. So ist unsere Gesellschaft mit Sicherheit friedlicher und weltoffener als die deutsche Gesellschaft in den 50ern, in den 60ern, in den 70ern usw. Natürlich ist sehr vieles verbesserungswürdig. Aber wer eh alles furchtbar findet, wird mit Sicherheit nix zum Besseren wenden!

Jens Niestroj, Rotenburg

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