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Rassismus als Fingerzeig Gottes

■ Märchenhaft-plakative Inszenierung, aber perfekt gesungen: Joan Orleans brilliert umjubelterweise als „Queen of Gospel“ im Musical „Mahalia“ im St. Pauli-Theater

Einfach genial, diese Stimmen, diese Power, denke ich beim Klatschen, als mich jemand kräftig von hinten am Hemd zieht. „Hinsetzen!“ bellt es energisch. „Das nennt man standing ovations“, erklärt mein Begleiter der alten Dame. „Ständing Oväschens, Hubert, los steh auf!“ Nach dieser zackigen Regieanweisung steht dann sogar Hubert applaudierend inmitten eines begeisterten Premierenpublikums im St. Pauli-Theater. Grund für soviel Emotion ist die „Queen of Gospel“: Mahalia Jackson. Diese außergewöhnliche Frau, die mit ihrem unerschütterlichen Glauben und einer begnadeten Stimme die irdische Welt eroberte, ist natürlich nicht persönlich anwesend. Sie starb vor 28 Jahren. Doch eine Affinität zu den Hanseaten bestand schon lange: Anno 1952 schloss die Lady auf ihrer ersten Europatournee Hamburg ins Herz, inklusive Zimtschnecken, Kristalls und Alster.

Würdig dargestellt und gesang-lich hervorragend repräsentiert wird Mahalia im gleichnamigen Musical von der Sängerin und Schauspielerin Joan Orleans. Genau wie Mahalia ist sie mit dem schwarzen Blues und den großen Gospelgesängen in New Orleans aufgewachsen. Ihre Bandbreite reicht von eher getragenen traditionellen Spirituals wie „Precious Lord“, „Amazing Grace“ und „We Shall Overcome“ bis zu schmetternden Gospel-Songs wie „Oh, When the Saints“ und „Nobody Knows the Trouble I See“. Die Geschichte des Mädchens, das von seiner Tante Duke streng christlich erzogen wurde, durch den Cousin aber den Blues in Nachtclubs kennenlernte, mit 35 Jahren mit „Move on Up a Little Higher“ einen Millionenhit landete und schließlich an der Seite von Martin Luther King und bei den Feierlichkeiten zur Ernennung von John F. Kennedy als Präsident auftrat, wird von Orleans und sechs weiteren SängerInnen stimmlich perfekt auf die Bühne gebracht.

Ärgerlich hingegen ist die märchenhaft-plakative Inszenierung (Regie: Michael Wedekind) des Lebens einer gläubigen Frau ohne Verfehlungen und eines Stückes schwarzer Geschichte des Kampfes gegen Rassismus, das rück-blickend von der „Queen of Gospel“ erzählt wird. Selbst absolute Talfahrten werden mit einem Lächeln als Gottes Bestimmung interpretiert: Nach einem umjubelten Konzert in Alabama bekommen Mahalia und ihre Pianistin beispielsweise als Schwarze kein Taxi, was sie als Fingerzeig Gottes interpretiert, doch die Schuhe zu nutzen und zu laufen. Der Schönfärberei hätten ein paar Dissonanzen gut getan. Außerdem wird Deutsch gesprochen, was von den amerikanischen DarstellerInnen viel Konzentration fordert und der Authentizität wenig zuträglich ist. Echte Gospelfans soll das nicht davon abhalten, ihre Ohren mahaliamäßig zu verwöhnen. Stefanie Behrens

bis zum 30. Januar, täglich außer montags, 20 Uhr, St. Pauli-Theater

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