Auf den Putschjubel folgt die Katerstimmung

Elfenbeinküste: Militärherrscher Guei scheitert mit Allparteienregierung

Berlin (taz) – Knapp zwei Wochen nach ihrem Putsch laufen die herrschenden Militärs in der Elfenbeinküste Gefahr, den Kredit zu verspielen, den sie mit ihrer Beseitigung des ungeliebten Präsidenten Henri Konan Bédié zu Weihnachten 1999 gewonnen hatten. In der Nacht zu gestern platzte die Bildung einer Allparteienregierung durch den neuen Militärherrscher General Robert Guei, als die linksoppositionelle „Ivoirische Volksfront“ (FPI) sich kurz nach Komplettierung der Ministerliste daraus zurückzog. Die FPI, unter Bédié eine der beiden großen Oppositionsparteien, unterstützte bisher das Militärregime.

„Wir akzeptieren keine krummen Dinger“, wetterte FPI-Führer Laurent Gbagbo. Seine Partei sei gegenüber der anderen großen bisherigen Oppositionspartei RDR (Sammlung der Republikaner) benachteiligt, die mehr Ministerposten erhalten habe. RDR-Führer Alassane Ouattara, ein früherer Premierminister, war Hauptleidtragender der politischen Verfolgung des Bédié-Regimes gewesen und kehrte nach dem Putsch aus dem französischen Exil in die Elfenbeinküste zurück.

Strenggenommen ist Gbagbos Vorwurf falsch. Das neue Kabinett enthält 21 Posten. Zehn Minister benennt das Militär – vier Soldaten und sechs „Persönlichkeiten der Zivilgesellschaft“. Die anderen elf benennen die Parteien. Die FPI bekam vier Posten, die RDR drei, zwei gingen an Kleinparteien und zwei an Politiker, die der Ex-Regierungspartei PDCI (Demokratische Partei der Elfenbeinküste) nahestehen. Doch offenbar sind mehrere Militärposten mit RDR-Sympathisanten besetzt worden, darunter zwei einflussreiche Generäle.

So spricht FPI-Führer Gbagbo nun von einer „RDR-Regierung“. Die FPI, die von sich beansprucht, die älteste und wichtigste Oppositionskraft der Elfenbeinküste zu sein, fürchtet offenbar, die Soldaten wollten ihrem alten Rivalen Alassane Ouattara den Weg an die Präsidentschaft ebnen. RDR-Führer Ouattara gab seit seiner triumphalen Rückkehr in die Heimat am 29. Dezember mehrere präsidial anmutende Statements ab und prägte das Schlagwort, der weihnachtliche Putsch sei für die Elfenbeinküste eine „Nelkenrevolution“ gewesen – der von Volk und Militär gemeinsam verübte Sturz der Salazar-Diktatur in Portugal 1974. Seine RDR hat nun unter anderem das mit Abstand wichtigste Kabinettsresort erhalten: Wirtschaft und Finanzen. Die FPI hingegen bekam die Ministerien für Bildung und für den öffentlichen Dienst – also für aufsässige Studenten und Beamten.

Nach dem Ausstieg der FPI war die Zukunft der Regierung gestern völlig unklar. Gestärkt wird damit das Militär, das ohnehin eine größere Rolle spielt als geplant. Die wichtigsten anstehenden Aufgaben – Ausarbeitung einer neuen Verfassung und eines neuen Wahlgesetzes – verwies General Guei in seiner Neujahrsansprache in Ausschüsse, ohne einen Zeitrahmen für freie Wahlen zu nennen. Die radikale Studentenorganisation FESCI, bisher jubelnder Unterstützer des Putsches, warnte Guei bereits, er solle nicht eine Diktatur durch eine andere ersetzen.

Kurzfristig besteht Gueis Hauptsorge in der Sanierung der Wirtschaft. Er fand bei seiner Machtergreifung leere Staatskassen vor. Nun lässt er im In- und Ausland nach gestohlenen Geldern fahnden. Diese Versuche, „das Haus sauber zu machen“, wie Guei es nennt, stoßen auf breite Zustimmung in der Bevölkerung. Doch, wie der kritische Publizist Diégou Bailly sagt: „Wenn Guei sagt, er will das Haus sauber machen, sagt er damit zugleich, dass ihm das Haus an sich gefällt.“

Unübersehbar ist, dass Guei selber in dieser Machtelite groß geworden ist und sie offenbar mehr schonen will, als es dem öffentlichen Wunsch nach Veränderung entspricht. Zwar wurden die mit veruntreuten Staatsgeldern gekauften Autos der bisherigen Regierungspartei PDCI von Soldaten beschlagnahmt – aber mehrere nach dem Putsch verkündete Neubesetzungen an der Spitze des Beamtenapparats, denen prominente Funktionäre zum Opfer gefallen wären, wurden Anfang dieser Woche ausgesetzt.

Für Irritationen sorgt auch der Eifer, mit dem einige PDCI-Anhänger versuchen, Guei zu vereinnahmen. Teile der PDCI präsentieren ihn als idealen Erben des 1993 verstorbenen Landesvaters Felix Houphouet-Boigny. Am Samstag nächster Woche wollen sie ein Unterstützerkomitee gründen, um Guei zum PDCI-Präsidentschaftskandidaten zu nominieren. Guei schweigt. Dominic Johnson