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Für den Rausch sorgt nur Bavaria

■ Simulierter Fußball: Finanziell und sportlich hat der 14. Ratsherrn-Cup wenig zu bieten

Was wird am Ende höher sein? Die Trefferquote auf dem Spielfeld oder die Zahl der Bier-Pappbecher, die pro Fan verbraucht werden? Das könnte schon die spannendste Frage sein, die der 14. Hamburger Ratsherrn-Cup aufwirft. Heute um 18.30 Uhr wird angekickt, morgen der Sieger ermittelt.

Die quälende Zeit eines jeden Fußballjunkies ist schon lange gekommen. Für das richtige Gekicke unterm Himmelszelt ist es viel zu kalt. Stattdessen füllen sich die Hallen. Vorm Fernsehschirm verhält es sich ähnlich. Fußball unterm Dach wird nur laut TV-Machern vom Publikum jährlich mehr angenommen. Bis zu 2,5 Millionen Zuschauer wurden bereits im vergangenen Jahr von ihnen als Spitzenwert in Sachen Einschaltquoten ermittelt. Ein Surrogat ist die aufgewärmte Hallenvariante aber längst nicht.

Doch warum schauen so viele bei der zuweilen stinklangweiligen Fußball-Simulation zu? Die Antwort ist ebenso einleuchtend wie traurig: Weil ein Kick besser als gar keiner und es ganz einfach beruhigend ist, Männer in kurzen Hosen in Aktion mit dem gesteppten Rund zu sehen. Und das, obwohl die Ak-teure nur ansatzweise das Bedürfnis nach Hackeneinsatz oder gar weiteren Finessen verbreiten. Also bewegen sich die Professionellen zumeist gleichförmig und ohne Repertoire durch die muffige Halle. Das ist Hallenspaß pur – nicht mehr und nicht weniger.

Die Hamburger Zuschauer zumindest haben das erkannt und kommen schon lange nicht mehr in Scharen. Die konkrete Langeweile, im vorigen Jahr einzig durch die famosen Einlagen der FC St. Pauli Amateure unterbrochen, artete daher verbreitet in noch konkretere Besäufnisse aus. Und aller Voraussicht nach werden die Ratsherren am Wochenende mehr denn je das Sagen haben: Denn das Aufgebot an teilnehmenden Teams lässt wie schon seit langem nicht mehr zu wünschen übrig.

Lautstarke Anfeuerungsrufe werden kaum zu vernehmen sein. Ein Rivalitätsdenken zwischen dem HSV und dem FC St. Pauli wird es überhaupt nicht geben – der HSV kommt nämlich gar nicht erst. Die Pagelsdörfler haben ihre Teilnahme kurzfristig abgesagt und ziehen stattdessen einen Start im sächsischen Riesa vor, einem von insgesamt vier Qualifikationsturnieren zum DFB-Hallen-Pokal in München. Dort gibt es mehr Geld und vor allem richtige Gegner wie Kickers Offenbach oder Energie Cottbus (siehe auch Bericht unten).

Die Hamburger Veranstaltung zählt indes zu den unwichtigen Turnieren, bei denen es nichts zum Qualifizieren gibt. Es zehrte aber zumindest in der Vergangenheit stets vom innerstädtischen Vergleich der beiden Profi-Teams. Als Sponsor des Ratsherrn-Cups hat sich die Bavaria Brauerei daher auch folgenden Passus im Vertrag offen gehalten: Falls der HSV oder der FC St.Pauli absagen sollte, verringert sich der zugesicherte Betrag um 30.000 Mark. Ein herber Rückschlag für Turnierorganisator Horst Peterson, der – „das ist nicht die feine hanseatische Art“ – nun nicht mehr allzu gut auf die Rothosen zu sprechen ist. Peterson weiter: „Unser Turnier hat nun nur noch Mittelmaß.“ Selbst Vollblut-Balltreter wie Marcus Marin vom Titelverteidiger FC St. Pauli sind von der Hallenballerei kaum noch begeistert. „Es gibt nur auf die Socken, was keinen Spaß bringt“, verkündete der 34-Jährige. Kein Wunder, dass man da nicht mehr hingucken mag. Also, hoch die Tassen. Ein Prosit auf den Fußballsport.

Oliver Lück

14. Ratsherrn-Cup in der Alsterdorfer Sporthalle: Gruppe A: FC St. Pauli, 1. FC Nürnberg, Viborg FF, Trelleborgs FF; Gruppe B: FSV Mainz 05, FC Lovech, RKC Waalwijk, Sieger Umbro-Cup 2000 (wurde nach Redaktionsschluss ermittelt)

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