: lebenin funnyland
yves eigenrauch
fanladen der schalker fan-initiative, gelsenkirchen zentrum, hansemannstr. ecke brockhoffstr.: um aus dem gebäude heraustreten zu können, öffne ich die mir das draußen versperrende glastür. bis dann. tschüs. wir begeben uns zu meinem fahrzeug, das wenige meter weiter auf dem alten marktplatz abgestellt wurde.
nach dem einsteigen starten wir den motor und fahren in die v.oven-str. ein, vorbei am hans-sachs-haus und am arbeitsamt. die straße heißt nun vattmannstr. am ende fahren wir nach rechts auf die husemannstr. an der zweiten beampelten kreuzung biegen wir wiederum nach rechts auf die florastr. ab, um die nächstmögliche fahrt nach links auszuführen.
■ ich bin ein glückskind. wenn ich keines wäre, würde ichdenken, ich sei eines
das alles geschieht mit gesetztem blinker, nicht für eine halbe sekunde, für drei oder vier sekunden. kurt-schumacher-str., eine vierspurige straße, in deren mitte unsere straßenbahnschienen verlaufen. diese bahnstrecke verbindet das gelsenkirchener zentrum mit dem seit jahren eingemeindeten buer; ebenso wie die k.-s.-str.
bleiben wir auto fahrend. nach ungefähr drei kilometern lassen wir zu unserer linken unser altes stadion, die glück-auf-kampfbahn, hinter uns. in diesem stadion wurden bis zum neubau des parkstadions, anfang der siebzigerjahre, die spiele des fc schalke 04 ausgetragen.
hier, im ortsteil schalke, nahe der zeche consolidation und dem schalker markt. links und rechts der straße folgen im weiteren verlauf etweilige gebäude, kleine einkaufsläden, gewerbeflächen, wohnhäuser oder einfach freiflächen.
zügig, wir dürfen nun siebzig stundenkilometer fahren, nähern wir uns dem berger feld. vier kilometer nördlicher: feld, freifläche. unser im bau befindliches neues stadion, die arena „auf schalke“, liegt dort ebenso wie das etwas nördlicher befindliche parkstadion, die jetzige spielstätte meines vereins. wir fuhren, doch nun muss ich alleine weiter. umgeben von einer verzinkten stahlkarosserie, kann ich durch das fenster der beifahrertür die arena erblicken.
montagekräne, einer, zwei, sieben stehen auf der baustelle; die fertigelemente der oberränge wurden und werden eingepasst, ein stadion bekommt konturen, gewinnt an form. noch eineinhalb jahre, dann werde vielleicht auch ich dort spielen dürfen oder müssen. unmittelbar an der hauptverkehrsstraße weist ein großes baustellenschild darauf hin, dass der tradition hier ein neues zuhause gegeben wird. einige hundert meter weiter, durch blätterlose äste hindurch, sehe ich das parkstadion. greifbar nah, in diesem augenblick aber doch ganz fern. dort spiele ich, dort trainiere ich. die beiden gebäude der geschäftsstelle, der trainingsplatz. an der außenwand der sporthalle neben dem stadion lese ich in großen blauen buchstaben auf weißem grund: „FC SCHALKE 04“.
zu unglaublich erscheint es mir, dass ich dazugehöre. mir ist mulmig zu mute. für einen vagen moment kann ich mir ins bewusstsein rufen, was es für einen außenstehenden bedeuten mag, das vereinsgelände zu sehen, wie groß der wunsch sein kann, dazuzugehören. wie toll es sein muss, dort, auf schalke, spielen zu dürfen. häufig lernt man dinge erst schätzen, wenn man sie nicht mehr hat.
das ist bei mir nicht anders. löste der ein oder andere spruch, es sei eine ehre, für den fc schalke 04 fußball zu spielen, in der vergangenheit oft nur ein leichtes lächeln aus, so ist der eigentliche gehalt der aussage unbestreitbar. die realität ist nur schwer wahrnehmbar. um so mehr in dem moment, in dem ich mich in ihr bewege. wusste ich nicht seit langem, dass ich ein glückskind bin? wenn ich keines wäre, würde ich denken, ich sei eines.
schade, dass meine realität bald wieder beginnt. aus ist es dann mit der spiel- und trainingsfreien zeit eines menschen.
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