: Krieg und Bomben-Tod – ein Videospiel?
betr.: „Das rasante Nato-Video“ (Allianz zeigte Video über tödlichen Angriff auf Zug im Kosovo zu schnell), taz vom 7. 1. 00
Na Bravo! Braucht es einen weiteren Beweis, dass unsere „Realität“ längst eine virtuelle, das heißt in Bildern vermittelte ist? Krieg und Bomben-Tod von Menschen – ein Videospiel?
[...] Was nimmt es Wunder, wenn ein Videoband die „Realität“ etwas schneller macht, um uns das zu zeigen, was wir sehen wollen? Was wundert uns der Zynismus einer Militärmaschinerie, überhaupt Bilder aus Bomben aufzuzeichnen, wenn uns nur das „real“ erscheint, was wir flach und in Farbe sehen können? Und was wundert uns der menschenverachtende Sprachgebrauch des Militärs („Kollateralschaden“), wenn der „Waffensystemoffizier“ zu einem Video-Spieler geworden ist, so wie ein Sechsjähriger an seiner Spielkonsole?
Oder wussten wir (die werten Leser, der Autor eingeschlossen) es schon immer besser? Der Traum vom sauberen Krieg, er wird wahr, jeden Tag in den Kinderzimmern und wohl auch in den Planspielen der Krieger – auf den Schlachtfeldern hingegen ist es so elend wie eh und je. Die Medien, auch die Printmedien, werden mitspielen, solange sie die Bilder nur nachzeichnen und vielleicht das ein oder andere Mal offensichtliche Unzulänglichkeiten herausstellen. Es braucht aber mehr: Einen Aufstand der Sprache gegen die Vereinnahmung durch Bilder und virtuelle Realitäten.
[...] Sind diese Tag-Traum-Bilder, aus denen wir unsere „Realität“ zusammensetzen, nicht der Traum der Menschheit selbst, von Erfülltheit ohne Opfer (früher nannten wir es „Utopie“)? Wer könnte all die Opfer dieser Welt ertragen? Wir bilden uns lieber ein, sie wären nicht, wenn wir sie nicht sehen (Bitte bleiben Sie gesund!)
Jost Guido Freese, Düsseldorf
Die Redaktion behält sich den Abdruck sowie das Kürzen von Briefen vor. Die erscheinenden LeserInnenbriefe geben nicht notwendigerweise die Meinung der taz wieder.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen