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Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm ■ Von Ralf Sotscheck
Seltsam, diese Familie Flynn aus Castlebar im Nordwesten Irlands, das außer einer breiten Hauptstraße und einem Chinarestaurant nichts zu bieten hat und weiträumig umfahren werden sollte – zumal man andernfalls auf ein Mitglied der weit verzweigten Flynn-Sippe treffen könnte.
Diese Familie scheint aus Größenwahnsinnigen, Kriminellen und Politikern und aus größenwahnsinnigen kriminellen Politikern zu bestehen. Vater Padraig Flynn und Tochter Beverley Flynn sind Abgeordnete im Dubliner Parlament; die jüngste Tochter Audrey ist Busunternehmerin – und deshalb steht sie jetzt vor Gericht. Sie hatte einen uralten Minibus für 500 Pfund gekauft, aber vergessen, dass sie keine Fahrerlaubnis für den Personentransport hat. Und versichert war die Klapperkiste auch nicht. Deshalb bekam sie bislang 22 Strafmandate.
Eine ihrer Kundinnen, Rita Callon, sagte als Zeugin aus, dass sie Flynn jeden Montag sieben Pfund in einem braunen Umschlag gegeben habe. Dieses ursprünglich harmlose Behältnis hat seit der Welle von Bestechungsskandalen einen schmutzigen Beigeschmack, denn offenbar ist es in Irland Sitte, Schwarzgelder in braunen Umschlägen zu überreichen.
Vater Padraig weiss das nur zu gut, nachdem er von Bauunternemer Tom Gilmartin vor ein paar Jahren eine „Parteispende“ in Höhe von 50.000 Pfund erhielt. Flynn sagte ihm damals, er solle das Feld für den Zahlungsempfänger frei lassen. Das Geld ist auf dem Parteikonto nie angekommen. Und auch Schwester Beverley Cooper-Flynn kennt sich mit braunen Umschlägen aus. Als Managerin eines Versicherungsunternehmens riet sie ihren Kunden, Gelder im Ausland anzulegen, um die irische Steuer zu hinterziehen. Der Steuerbetrug, in den viele ehrenwerte Mitglieder der irischen Gesellschaft verstrickt sind, wird zur Zeit von einem unabhängigen Ausschuss untersucht.
Dagegen stritt Audrey Flynn vehement ab, braune Umschläge mit Geld für Fahrdienste von Frau Callon kassiert zu haben, weil sie Callons Kind nie zur Schule gefahren habe. „Außerdem war Frau Callon nie zu Hause, wenn ich ihre Tochter abgeholt habe“, fügte sie törichterweise hinzu. Als die Richterin sie auf den kleinen Widerspruch hinwies, gab Flynn die Kindertransporte nach und nach zu – erst einen, dann zwei, am Ende waren es sechs oder viele. Da platzte der Richterin der Kragen. Noch nie sei ihr jemand „von solch atemberaubender Arroganz“ begegnet. Flynn habe jeden Sinn für Realität verloren und müsse zum Psychologen, bevor das Urteil gefällt werden könne.
Da kann sie ihren Vater gleich mitnehmen, denn dem ist der Realitätssinn schon vor langer Zeit abhanden gekommen. Der damaligen Präsidentin Mary Robinson warf er 1990 vor, sie vernachlässige ihre Familie zu Gunsten ihrer politischen Ambitionen. Und als er noch EU-Kommissar für Soziales war, lamentierte der Paradechauvi in einer Talkshow, wie teuer drei Haushalte in Brüssel, Castlebar und Dublin seien – in der weltfremden Annahme, das Publikum könnte Verständnis für seine Situation aufbringen. Statt dessen riet man ihm, die Häuser in Brüssel und Dublin aufzugeben und sich nach Castlebar zurückzuziehen – der Ort kann ja, wie gesagt, weiträumig umfahren werden.
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