piwik no script img

Köln–Leipzig im 30-Minuten-Takt

Bahnchef plant angeblich acht Knotenpunkte, zwischen denen alle halbe Stunde ein ICE verkehrt. Bundeskanzler lobt Mehdorn als „erstklassigen Mann“ ■ Von Katharina Koufen

Berlin (taz) – Cheftreffen: Hartmut Mehdorn, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bahn AG, hat gestern seinen Antrittsbesuch bei Bundeskanzler Gerhard Schröder und Verkehrsminister Reinhard Klimmt absolviert.

Mehdorn hat in den knapp fünf Wochen, die er jetzt im Amt ist, bereits für Aufruhr gesorgt: Letzten Donnerstag verkündete er, der Bau der Transrapid-Strecke Berlin–Hamburg, jahrelanger Lieblingszankapfel zwischen Bahn, Politik und Wirtschaft, rechne sich nicht.

Gestern allerdings hüteten sich die beiden Chefs gleichermaßen vor neuen Todesstößen gegen die Magnetschnellbahn wie vor voreiligen Auferweckungsversuchen. Klimmt und Schröder sprachen sich zwar nach wie vor „prinzipiell“ für den Transrapid aus, vermieden aber eine Festlegung auf die Strecke Berlin–Hamburg. Stattdessen habe Mehdorn ihm erläutert, wie er sich die Zukunft seines Unternehmens vorstelle, gab der Bundeskanzler bekannt. Näheres wolle er nicht sagen, nur so viel: Der Besuch habe „in guter Atmosphäre“ stattgefunden.

Das Flensbuger Tageblatt hatte gestern im Vorfeld des Treffens über die Pläne der Bahn berichtet: Im ganzen Land sollen acht Knotenpunkte für den Fernverkehr eingerichtet werden – unter anderem in München, Frankfurt, Köln, Hamburg, Leipzig und Berlin. Von diesen Bahnhöfen aus solle alle halbe Stunde ein ICE starten.

Doch was als „radikale Umstrukturierung“ von den Presseagenturen weitergegeben wurde, ist so neu nicht. Denn seit der Bahnreform 1994 steht fest, dass nur der Fernverkehr schwarze Zahlen schreiben muss; der Nahverkehr hingegen wird von den Ländern subventioniert. Dafür erhalten diese jährlich rund 12 Millarden Mark vom Bund. Die Deutsche Bahn konzentriert sich somit schon länger auf den Ausbau ihrer Fernverkehrsstrecken. Und schon heute gehören die anvisierten Knotenpunkte zu den wichtigsten Bahnhöfen der Bundesrepublik: So verkehrt etwa zwischen Köln und Berlin stündlich ein ICE, zwischen München und Frankfurt sogar halbstündlich. Die Strecke Berlin–Hamburg ist als Ersatz für die Transrapid-Trasse im Gespräch. Ausgebaut werden müsste vor allem die Nord-Süd-Achse im Osten, also zwischen Berlin, Leipzig und München.

Mehdorn hatte bei seinem Amtsantritt Mitte Dezember den künftigen Kurs des Unternehmens umrissen: Er wolle das bestehende Schienennetz modernisieren, statt in neue Strecken zu investieren, das Fahrpreissystem vereinfachen und die Bahn bis 2003 an die Börse bringen. Der Ausbau der ICE-Strecke wäre ganz im Sinne der angestrebten Modernisierung und würde zumindest den Börsengang der DB Reise & Touristik erleichtern, also derjenigen Tochtergesellschaft der Deutschen Bahn AG, die für den Fernverkehr zuständig ist und die derzeit als einzige überhaupt börsentauglich sein dürfte. Um das Preissystem auch für Durchschnittsintelligente nachvollziehbar zu machen, brachte Mehdorn den Vorschlag auf den Tisch, Pauschalpreise für bestimmte Strecken einzuführen.

Außerdem, so hieß es gestern, plane der Bahnchef ein Verbundsystem mit Bussen und Bahnen. Als Zahlungsmittel würden Chipkarten eingeführt, die für die städtischen öffentlichen Verkehrsmittel ebenso gelten sollen wie für den ICE. Auch diese Idee ist nicht neu: Ein elektronisches Kartensystem wird derzeit in Berlin getestet.

Mehdorn hat anscheinend auch innerhalb des Konzerns einige Änderungen vor: Künftig soll im Vorstand ein Manager für den gesamten Personenverkehr zuständig sein. Bislang ist die Verantwortung für Nah- und Fernverkehr auf zwei Vorstände verteilt. Für das neue Amt hat Mehdorn nach Angaben des Manager Magazins den bisherigen Fernverkehrschef Christoph Franz nominiert. Dieses Amt soll helfen, die Zersplitterung der Deutschen Bahn AG zu überwinden, die seit 1999 in die fünf Tochtergesellschaften DB Reise & Touristik, DB Regio, DB Netz, DB Cargo & DB Station & Service aufgeteilt ist.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen