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Fromme Denkungsart im Themenpark

Der paradoxe Charme des metropolitanen Marketings: Die Ausstellung „beyond price“

Die Ansage ist moderat. „Wir sind keine Kunstgalerie“, sagt Daniel Haaksman, einer der Betreiber, über ffwd. Der Ausstellungsraum in der Ackerstraße könnte auch „Sponsored by“ heißen, denn auf dieser Basis funktioniert der Laden. Die Angelegenheit besitzt mithin den paradoxen Charme des neuesten metropolitanen Marketings. Anders als in der Galerie, wo Kunst endlich zur käuflichen Ware werden will, sind hier die durchaus käuflichen Dinge des Alltagslebens wie Design, Mode und Lifestyle als unverkäufliches Konzept ausgestellt. „beyond price“ heißt das aktuell und wurde vom Londoner iD-Magazin initiiert.

Rund 200 Leute – Fotografen wie Wolfgang Tillmans, Models wie Kate Moss, Modemacher, Stylisten, Texter und Firmen, die alle mit der Zeitschrift verbandelt sind – ließen sich für das Projekt einspannen, das jetzt nach Stationen in London, Leeds und Paris in Mitte eingetroffen ist. Simon Foxton, Modedesigner, 39, trägt einen Witz bei. Geht ein Mann in eine Tierhandlung und sagt zum Verkäufer: „Ich würde gerne eine Wespe kaufen.“ Der Verkäufer lächelt amüsiert und sagt: „Tut mir leid, wir verkaufen keine Wespen.“ Antwortet der Mann: „Aber sie haben doch eine im Fenster.“

Ja, das kommt vor. Wider Erwarten kriegt man manche Dinge ganz umsonst, freilich nicht „beyond price“. Denn „beyond price“ ist nicht nur eine Ausstellung, also die fotografische und schriftliche Dokumentation jener Dinge und Situationen des Lebens, die für alles Geld der Welt nicht zu haben sind; „beyond price“ ist auch und vor allem ein Ideenheft, ein theme park magazine und ein melancholisches Poesiealbum, das sich für 8 Pfund oder 20 Dollar käuflich erwerben lässt. Und daran ist noch nicht einmal wirklich was falsch.

Zumindest erwartet man nichts anderes. Denn wie leicht zu vermuten, sticht das Projekt nicht gerade in ein Wespennest aufrührerischer Konsum- und Gesellschaftskritik. Eher fließt die Milch der frommen Denkungsart. Eindrückliche Schwarzweißfotografien von Robben Island, der Insel, auf der Nelson Mandela im Gefängnis saß, eröffnen programmatisch Heft und Ausstellung, und dann sind eine glückliche Kindheit und Brüder – merkwürdigerweise aber nie Schwestern – unbezahlbar; Hunde und Camping sind es, und Unschuld, Freiheit, Zeit, Liebe und Gesundheit. Für Helmut Lang ist „Privacy“ das kostbarste Gut und symbolisiert sich als weiße Bettwäsche eines ungemachten Betts. Stella McCartney sagt „True love“ und stiftet ein Foto, das ihr Vater Paul von der jungen, schwangeren Linda McCartney schoss.

Doch, es finden sich viele schöne und im Kontext der Ausstellung auch kluge Fotos; etwa das Porträt, das Johnny Giunta von seinem frisch operierten Freund machte: „Patrick versus brain tumor. Patrick wins.“ Wahrscheinlich zählt dazu auch eine Fotografie von Nick Knight. Sie freilich ist weder in der Ausstellung noch im Heft („aufgrund von Exportrestriktionen“) zu sehen. Denn Nick Knight zeigt Natasha Nee Davids umoperierte Scham, er hält die Freiheit für unbezahlbar, sein Geschlecht zu wählen.

Natürlich kostet gerade diese Freiheit einen Haufen Geld. Aber die Paradoxien des Lebens auflösen heißt eben das Gewicht nach einer Seite hin verlagern, eine Entscheidung treffen. Dann kann man etwas auch um jeden Preis wollen. Adidas, Smirnoff und Levi’s, die ffwd-Sponsoren, müssen da nicht ganz so hart ran, wenn sie Informationen über die Gewohnheiten und Ticks ihres potenziellen Kundenstamms wollen. Check it out: Eine Party mit tausend Eintritt zahlenden Leuten genügt dafür, und selbst diese Party muss ja nicht die schlechteste sein.

Brigitte Werneburg

Bis 18. 2., Do.–So., 14–20 Uhr, im ffwd, Ackerstr. 154

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