„So geht’s doch auch!“

Der Schicklgruber-Jörg wird Bundeskanzler (erste Reaktionen)

Schicklgruber – weil der Name nicht mit „H“ anfängt und „er“ aufhört und um den „Vorurteilen“ „entgegenzuwirken“

Es kam dann doch für die meisten überraschend, besonders das europäische Restausland hatte nicht damit gerechnet. Wenden wir uns vorerst den Tatsachen zu.

Nachdem die sonnenölig gebräunte Schamfrist verstrichen war, die er der Mit- und Medienwelt zugestanden hatte, ließ sich Jörg Haider auf Drängen der Österreicherinnen und Österreicher zum Bundeskanzler wählen. Kurz vorher hatte er seinen Namen in Jörg Schicklgruber geändert, teils um den „Vorurteilen“ über ihn in Nato und EU „entgegenzuwirken“, teils weil der Name Haider zweisilbig ist, mit „H“ anfing und „er“ aufhörte.

Danach ging alles ziemlich relativ sehr fix. Beinahe gleichzeitig nämlich wuchs der Verdruss, ja die Verdrießlichkeit, um nicht zu sagen Verdrossenheit unter den mündigen Staatsbürgern der BRD angesichts von Spendengateaffären, schwarzen Koffern, Kassen und Langfingernägeln, Urlaubsflügen hin oder her. Die moralisch empörten WählerInnen blieben massenhaft den Landtagswahlen fern, in erster Linie um auf heroische Weise ihren Protest gegen die „Parteien-Plutokratie“ zu artikulieren. Allgemein hatte man „die Schnauze voll“ von Menschen, die nicht so waren wie man selbst. Die Stimmung im Lande änderte sich merklich und rapide.

Die Bild-Zeitung zeigte Verständnis und brachte täglich eine Sonderseite über die „Erfolge“ der Schicklgruber-Regierung: „So geht’s doch auch!“; ein ARD-Brennpunkt schaltete live nach Wien, als dort der erste „Kinderscheck“, eine Gebärprämie ausschließlich für österreichische Frauen, einer strahlenden Kärntnerin überreicht wurde; die CDU zerbrach, als das Verfassungsgericht in Karlsruhe Kohls Antrag auf Aussetzung der lebenslänglichen Beugehaft abgelehnt hatte; der größte Teil der Christdemokraten ging daraufhin in die neu gegründete FPD, deren Vorsitzender Manfred Kanther die „Übervolkung Deutschlands“ und „die organisierte Kriminalität“ als dringendste Probleme nannte; Bayern öffnete seine Grenze nach Süden, Stoiber trat ins Kabinett des „im Grunde ehrlich und fleißig arbeitenden“ FPÖ-Kanzlers ein: „Hier kann ich mehr bewegen“; Bündnis 90/Die Grünen äußerten sich lobend über die „beispielhaft erfolgreiche“ Einführung der Mülltrennung in österreichischen Gefägnissen mit hohem Ausländeranteil; Gerhard Schröder legte sein Amt nieder, übernahm den Vorsitz im Aufsichtsrat der Volkswagen AG, die Steyr-Puch gekauft hatte und zusammen mit Fiat einen KdF-Wagen („Kraft durch Flexibilität“) auf den Markt brachte; der DFB nominierte für die WM in Asien eine gemeinsame Mannschaft mit Österreich, das sich nicht hatte qualifizieren können: „Ehrensache“, hieß es dazu lapidar aus der DFB-Zentrale. Trotz Toni Polster schied man in der 1. Runde gegen die Schweiz aus. Die nachhaltigsten Erschütterungen verursachten aber die sog. „Freitagsdemos“ in Berlin. Woche für Woche versammelten sich mehr Bürgerinnen und Bürger auf den Straßen der Hauptstadt, um für einen Anschluss Deutschlands an Österreich zu demonstrieren. „Tu felix Austria“ und „Ein Volk reicht“ zählten zu den beliebtesten Sprüchen auf Abermillionen Transparenten. Schließlich war die Volksabstimmung nicht mehr zu vermeiden, da ansonsten „die Demokratie in Gefahr“ gerate, wie es aus dem Bundespräsidialamt hieß. 83 Prozent der Bevölkerung stimmten für den Beitritt zur Republik Österreich, „den Rest“, so Schicklgruber sibyllinisch, „werden wir bedingungslos überzeugen“. Die Vereinigungsfeierlichkeiten fanden in Braunau statt.

Marx bemerkt irgendwo: „Hegel bemerkte irgendwo, dass alle großen weltgeschichtlichen Tatsachen und Personen sich sozusagen zweimal ereignen. Er hat vergessen, hinzuzufügen: das eine Mal als Tragödie, das andere Mal als Farce.“ Beruhigend ist das nicht.

Dietrich zur Nedden