piwik no script img

Grüne drohen den Banken

Der Einfluss der Banken auf deutsche Aktiengesellschaften soll verringert werden. Damit will die grüne Fraktion künftig Konzernkrisen à la Holzmann vermeiden ■ Von Hannes Koch

Berlin (taz) – Stellen Sie sich vor, die Bundestagsabgeordneten würden der Regierung einmal im Jahr eine Vollmacht erteilen. Und die MinisterInnen könnten dann machen, was sie wollen, ohne das Parlament noch einmal fragen zu müssen. Sie finden das undemokratisch? Autoritär? So geht es in der Politik nicht zu, wohl aber in der Wirtschaft.

Für die Hauptversammlungen der großen Aktiengesellschaften besorgen sich die Banken regelmäßig die Vollmachten der AktionärInnen. Dann entscheiden die Bankenvertreter über das Schicksal der Firmen und wählen den Aufsichtsrat, ohne den AktionärInnen Rechenschaft ablegen zu müssen. Mit derartigen Praktiken soll bald Schluss sein – wenn es nach den Grünen geht. Der Arbeitskreis Wirtschaft der Fraktion hat eine Initiative für die Reform des Aktienrechts erarbeitet. Können sich die Grünen mit ihrer Meinung bei der SPD durchsetzen, müssen die Banken in Zukunft für jede Hauptversammlung das Votum der AktionärInnen einholen. Das Papier enthält darüber hinaus weitere Maßnahmen, um gerade den Einfluss von Banken auf Unternehmen einzuschränken. Beim Koalitionspartner SPD hieß es gestern: „Wir prüfen das.“

Der Vorstoß auf Initiative der grünen Wirtschaftsexpertin Margareta Wolf kommt nicht zufällig jetzt. Er ist eine Reaktion auf die jüngsten Krisen bundesdeutscher Großunternehmer wie beim Bauriesen Philipp Holzmann. Dort hatte der Vorstand Verluste in Milliardenhöhe jahrelang in der Bilanz versteckt, bis der Laden pleite war. Dem Vertreter des Holzmann-Großaktionärs Deutsche Bank, Aufsichtsratschef Carl von Boehm-Bezing, war die Gefahr für das Unternehmen wohl ansatzweise bekannt. Die Bank versuchte jedoch in erster Linie, sich selbst schadlos zu halten, indem sie dem kränkelnden Baukonzern zusätzliches Geld entzog. Alles in allem stehen am Schluss mehrere zehntausend Jobs auf der Kippe, die nur mit viel staatlichem Geld gerettet werden können.

Die Grünen wollen derartigen Krisen begegnen, indem sie die Rolle der heute meist passiven PrivataktionärInnen zu Lasten der Banken aufwerten. Heute haben fast alle AktionärInnen ihre Aktien im Depotkonto einer Bank hinterlegt. Die Anteilseigner haben drei Möglichkeiten: Sie lassen das mit jeder Aktie gekoppelte Stimmrecht bei der Hauptversammlung ihrer Firma verfallen, üben es persönlich aus oder erteilen der Bank eine Vollmacht. Letzteres ist die Regel – was dazu führt, dass manche Bank ein Drittel des Aktienbesitzes eines Konzerns vertritt. Mit derartigem Gewicht können die Banker fast alles durchsetzen – auch zum Schaden des Betriebs.

Margareta Wolf will das „Vollmachtstimmrecht“ nun komplett abschaffen. In Zukunft soll jeder Aktionär seiner Depotbank zu jedem Punkt der Hauptversammlung eine Weisung erteilen und damit den Spielraum für Eigenmächtigkeiten der Banken erheblich einschränken.

Die Reaktion der größten Bank im Lande ist gelassen. „Wir haben damit keine Probleme“, erklärt Ronald Weichart, Sprecher der Deutschen Bank. Offenbar glaubt man nicht so recht, dass die Vorschläge durchkommen. Umstrittener ist ein anderer Punkt: Die Grünen verlangen, den Aktienanteil von Banken an Unternehmen grundsätzlich auf 5 Prozent zu begrenzen. „Dann hätte man die Holzmann-Sanierung so nicht machen können“, kritisiert Weichart. In der Tat: Um Holzmann zu stabilisieren, wird die Bank ihren Besitz auf 30 Prozent der Aktien aufstocken. Aber auch andersherum könnte ein Schuh daraus werden: Hätte die Deutsche Bank früher nicht 15 Prozent der Holzmann-Anteile besessen und hätten andere Interessengruppen mehr Einfluss im Unternehmen ausüben können, wäre es dem Betrieb vielleicht besser gegangen.

Um die Kontrolle der Vorstände durch die von den AktionärInnen gewählten Aufsichtsräte zu verbessern, plädieren die Grünen dafür, die Zahl der Aufsichtsratsmandate zu begrenzen, die eine Person gleichzeitig innehaben kann. Sind es heute bis zu zehn Sitze – was selbst Ausnahmemanager überfordert –, sollen es in Zukunft nur noch fünf sein.

Verschärft werden soll auch die Kontrolle durch das Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel: So wollen die Grünen, dass die Behörde in Zukunft Unterlagen von Firmen beschlagnahmen darf, die möglicherweise ihre Bilanz frisiert haben. Auch nach Wolfs Vorschlägen blieben die Kompetenzen jedoch weit hinter denen des US-Vorbildes zurück (siehe Kasten).

Mit ihren Vorschlägen will Margareta Wolf einer „neuen Aktienkultur“ den Weg bereiten. Es gelte, neue Maßstäbe für die Sicherheit des Besitzes der AktionärInnen zu setzen. Von der Sicherheit der Arbeitsplätze ist in dem Papier keine Rede.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen