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Kill Metternich, fight the Audience

■ Abonnentenglück und -schreck: Das Staatsorchester glänzte mit Schubert, Mozert und dem Neubremer Klaus Huber. Doch bei neuer Musik rasten große Teile des Publikums noch immer aus

Ein Zuhörer brachte seinen Konzerteindruck auf einen bildlichen Punkt: „Habt Ihr nicht das Spruchband gelesen, das da aufgerollt wurde? ,Kill Metternich', stand da drauf.“ Er bezog sich auf Schuberts Undergroundsituation im Metternich'schen Wien am Anfang des vergangenen Jahrhunderts. Doch auch wenn man das nicht weiß: Die große neunte Sinfonie von Franz Schubert, die jetzt als krönender Abschluss des Abo-Konzerts des Philharmonischen Staatsorchesters in der Glocke erklang, ist in allem – in ihren ungewöhnlichen Dimensionen und formalen Proportionen, in ihrer grenzenlosen, weit voraus weisenden harmonischen Entwicklung, in ihrem Kontrastreichtum – eine ziemlich eindeutige Manifes-tation einer gelinde gesagt persönlich nicht gerade guten Lebenssituation. Dass dieser Schubert nicht klassisch-gemütlich wurde, dafür sorgte der Stuttgarter Dirigent Jörg Peter Weigle. Nicht einfach, wo vielen die überragenden Wiedergaben von Nikolaus Harnoncourt und Jos van Immerseel (Musikfest 1997 und 98) noch im Ohr sind.

„Einen dicken Roman in vier Bänden etwa von Jean Paul“, nannte Robert Schumann das Werk, nachdem er die aufregende Partitur eher zufällig in Wien gefunden hatte. Diesen Roman entfalteten unsere Philharmoniker mit Intensität, Kraft und immer wieder großer Sensibilität. Wenn man auch den einen oder anderen Akzent vermisste – so das durchgehend zu schwache Tänzerische, zu pauschal ausgeleuchtete Klangfelderperspektiven nach harmonischen Wechseln –, so stimmt doch der epische Grundgestus und vor allem die berühmten Temporelationen in Bezug auf die langsame Einleitung und den schnellen Hauptsatz. Eine große Leistung!

Die apollinische Gegenwelt in ausgewogenster kammermusikalischer Manier zelebrierte mit Mozarts Violinkonzert in A-Dur, KV 219 Kolja Blacher, einst Konzertmeister der Berliner Philharmoniker, jetzt Professor für Violine in Hamburg. Seine Tongebung ist von glasklarer Reinheit und Schönheit. Blacher verfügt über ein Vibrato, das man als solches gar nicht hört und weswegen seine Töne eine warme Substanz haben. Eleganz und Verspieltheit, weniger Heftigkeit und Spontaneität waren weitere Merkmale eines zauberhaften Gebildes, in das die Orchesterbegleitung manchmal ein wenig zu kräftig reinschlug.

Es ist in jeder Hinsicht lobenswert, dass sich die Philharmonische Gesellschaft und Jörg-Peter Weigle zu einer Hommage für Klaus Huber entschlossen haben, den Neubremer Komponisten, der im vergangenen Dezember seinen 75. Geburtstag feierte. Mit großer Einfühlsamkeit und wirklich kompetent erklang „Beati pauperes“ für kleines Orchester: Es ist ein streng gearbeitetes Stück, in dem auf einem liegenden, leicht chargierenden Pianissimoklang sich allerlei Filigranes und Zartes abspielt.

Es ist ein wunderschönes Stück. Doch in welcher Welt leben wir eigentlich, dass nach einem solchen Werk gebuht wird? In der Welt der AbonnentInnen der Philharmonischen Gesellschaft, die allerdings auch – und das ehrt sie – Gegenbravos mobilisieren konnte: Besseres konnte Klaus Huber kaum passieren.

An dieser Stelle sei noch einmal vor Augen geführt, dass vor allem die staatlich untertstützten Klangkörper geradezu verpflichtet sein sollten, zeitgenössische Musik zu spielen. So wie es bis zum Historismus des neunzehnten Jahrhunderts und der Möglichkeit zur Klangkonservierung im zwanzigsten Jahrhundert selbstverständlich war.

Ute Schalz-Laurenze

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