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Harakiri statt Wettbewerb: Seitdem Wal-Mart sich in Deutschland breit macht, tobt ein erbitterter Preiskampf
Die US-amerikanische Handelskette Wal-Mart ist das größte Einzelhandelsunternehmen der Welt. Seitdem sie 1998 21 Wertkauf-Warenhäuser und im vergangenen Jahr 74 Interspar-SB-Warenhäuser in Deutschland übernommen hat, tobt ein erbitterter Preiskampf.
Seit Anfang des Jahres wirbt Wal-Mart Germany mit Sitz in Wuppertal in seinen 95 Supercentern mit reduzierten Preisen bei mehreren hundert Produkten. Mit der Aussage, damit erst am Anfang der Bemühungen zu stehen, „den deutschen Kunden bessere Produkte zum bestmöglichen Preis anzubieten“, werden indirekt bereits weitere Preisoffensiven angekündigt.
In Berlin gibt es bisher nur ein „Wal-Mart-Supercenter“ in der Neuköllner Karl-Marx-Straße. Demnächst soll in den Rathauspassagen der Wohnungsbaugesellschaft Mitte am Alex eine zweite Filiale eröffnet werden. Versuche, in Hohenschönhausen Fuß zu fassen, scheiterten jedoch. Als sich das Unternehmen vor etwa einem Monat an den Bezirk wandte mit dem Wunsch, ein Grundstück für einen 10.000 Quadratmeter großen Supermarkt zu kaufen, lehnte der Wirtschaftsstadtrat dieses Ansinnen ab. Schon jetzt sei der Bezirk überversorgt mit Einzelhandelsflächen. Auch der „massive Preisdruck“ von Wal-Mart hat eine Rolle bei der Absage gespielt.
Andere Einzelhandelsketten haben auf den Preiskampf bereits reagiert. So wirbt auch die Tengelmann-Gruppe mit Preissenkungen bei vielen Artikeln – „Merkbar und auf Dauer!“ (Kaiser’s) – und der Einführung von Dauerniedrigpreisen (Plus).
Die Spar Handels-Aktiengesellschaft, die durch den Verkauf ihrer Interspar SB-Warenhäuser an Wal-Mart einen 15-prozentigen Umsatzrückgang im vergangenen Jahr erlitt, kontert mit einer Preissenkungsaktion „Die Tollen Tausend“. Ab März will das Unternehmen auch in Berlin einen virtuellen Supermarkt anbieten, in dem die Kunden ab einem Mindesteinkaufspreis von 40 Mark und gegen eine Liefergebühr von 5 Mark per Internet oder Fax ihre Bestellungen aufgeben können. Bei Kaisers’s gibt es das Online-Shopping schon länger. Dort liegt der Mindestbestellwert bei 30 Mark, die Auslieferung kostet 10 Mark.
Von einem „Preiskrieg“ im Berliner Einzelhandel spricht der Landeschef der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen, Manfred Birkhahn: „Was sich gegenwärtig in der Branche abspielt, hat mehr mit Harakiri als mit Wettbewerb zu tun“, so der Gewerkschafter. „Der Verdrängungswettbewerb im Einzelhandel wird mit Hilfe des Verkaufs unter Einstandspreis, immer mehr Ladenflächen und inflationären Sonderöffnungen geführt.“ Seine Forderung: Der Gesetzgeber müsse endlich gegensteuern, „sonst bleiben die Verbraucher- und Beschäftigteninteressen noch mehr auf der Strecke“.
Barbara Bollwahn de Paez Casanova
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