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Alba bekommt in Europa kaum mehr Körbe

■ Nach dem Sieg gegen ZSKA Moskau steht Alba im Viertelfinale des Basketball-Europacups. Und Terry Dehere steht im Mittelpunkt

Terry Deheres süßester Moment kam drei Minuten vor Ende der Europaligapartie zwischen Alba Berlin und ZSKA Moskau. Da brach der Alba-Spielmacher einen Angriff einfach ab, dribbelte, bedrängt von seinem Gegenspieler Karassew, gemütlich zurück zur Mittellinie, ließ in Ruhe die Angriffszeit herunterlaufen und rauschte dann, als sei der überhaupt nicht vorhanden, an Karassew vorbei, zog zum Korb und traf. Zu diesem Zeitpunkt führten die Berliner gegen Moskau mit 10 Punkten Vorsprung, und das Katz-und-Maus-Spiel, das Dehere mit ihm trieb, ließ Karassews Frustration überkochen.

Nach Albas 81:76-Sieg und der damit verbundenen Qualifikation für das Achtelfinal-Play-off der Basketball-Europaliga nannten beide Trainer Terry Dehere als entscheidenden Faktor für den Erfolg der Berliner vor 7.600 begeisterten Zuschauern. „Wir haben stark angefangen“, sagte ZSKA-Coach Stanislaw Eremin, „aber dann kam Dehere und hat uns in zehn Minuten gekillt.“ Der 28-Jährige kam Mitte der ersten Halbzeit ins Spiel und trug mit 15 Punkten dazu bei, dass der Rückstand von zeitweise 9 Zählern schmolz und es zur Pause 40:40 stand. Alba-Trainer Svetislav Pesic stellte als großer Freund der Defensive Deheres Abwehrqualitäten in den Vordergrund. „Wichtig war, dass Terry Karassew in der zweiten Halbzeit aus dem Spiel genommen hat“, lobte er. „Sehr frisch, sehr motiviert“, so Pesic, sei der Russe an seine alte Wirkungsstätte gekommen, und tatsächlich hatte er schon zur Halbzeit 13 Punkte gesammelt. Als Dehere seine Bewachung übernommen hatte, gelang ihm der nächste Feldkorb erst wieder in der letzten Spielminute und auch sonst lief nichts mehr für ihn.

„Er hat uns mehr gegeben, als wir von ihm erwartet haben“, ließ sich Pesic ein letztes Statement über den zu Jahresbeginn für den gefeuerten Frankie King gekommenen Terry Dehere entlocken, bevor er kategorisch erklärte: „Ich will nicht mehr über ihn reden. Wir haben zwölf Spieler.“ Die Angst, dass der ehemalige NBA-Spieler, der sechs Jahre bei den Los Angeles Clippers, Sacramento Kings und Vancouver Grizzlies auf dem Buckel hat, das Team des Deutschen Meisters zur Einmannshow umfunktioniert, scheint groß. Von seinen individuellen Fähigkeiten her ist Dehere wohl der beste Basketballer, den die Bundesliga bisher gesehen hat, zudem besitzt er genug Showtalent, um das Publikum mit seinen Spin-Moves, Crossover-Dribblings, Körpertäuschungen oder Hinter-dem-Rücken-Pässen jederzeit von den Sitzen zu reißen. Eine Art Basketball, die nicht gerade der jugoslawischen Schule eines Pesic entspricht. Zudem tendiert Dehere, wenn es schlecht läuft, dazu, alles allein zu machen, was zuletzt bei der Niederlage in Treviso ins Auge ging. Eine solche Verdammung der übrigen Mannschaft zum Statistentum birgt die Gefahr, dass die anderen nicht mehr einspringen können, wenn es beim neuen Star nicht läuft.

Das Match gegen Moskau zeigte jedoch, dass Dehere erfahren genug scheint, um einzusehen, dass ein Akteur allein keine Spiele gewinnen kann. Er spielte abwehrbetont, geduldig, für seine Verhältnisse ausgesprochen nüchtern. Von 15 Versuchen landeten 9 im Ziel, davon 4 Dreier, am Ende war er Topscorer mit 23 Zählern. Kein Wunder, dass Pesic der Zukunft unter diesen Umständen zuversichtlich entgegensieht. Efes Istanbul, Paf Bologna, Ülker Istanbul oder Cibona Zagreb heißt der Gegner im Achtelfinale; wer es sein wird, entscheidet sich erst am letzten Zwischenrundenspieltag nächste Woche. Alles gute Teams, weiß Pesic, „aber wir haben mehr als einmal bewiesen, dass wir mit ihnen spielen können“. Und da war Terry Dehere noch nicht da.

Matti Lieske

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