: Ewige Ferien am Mittelmeer
Spannung statt Sehnsucht: „Der talentierte Mr. Ripley“ (Wettbewerb) setzt auf explizite Eindeutigkeit – leider
Stechend und unerbittlich brannte die Sonne in René Clements Highsmith-Verfilmung auf Alain Delons Gesicht. In „Nur die Sonne war Zeuge“ war die Grundstimmung existentialistisch, der Held getrieben und mit seinen raubkatzenhaften Instinkten supererotisch. Alles in diesem Film war reduziert auf den Überlebenskampf Tom Ripleys, der Hauptfigur, der sich wie unter einem Brennglas abspielte, schwelend und unaufhaltsam.
Das Verlangen, in die Haut eines anderen zu schlüpfen, wird in Anthony Minghellas „Der talentierte Mr. Ripey“ explizit ausgesprochen. So wie überhaupt alles in diesem Film belegt wird. Ripleys Neid zum Beispiel ist die groß ins Bild gerückte Uhr des anderen, ein italienisches Küstendörfchen wird zu seiner eigenen detailgetreuen Rekonstruktion samt farbenfrohem Gemüse, properen Fischern, blank geputzten Vespas und schmachtenden Schönheiten.
Minghellas Konzentration auf Ausstattung und Outfit verschiebt den Grundimpuls von Patricia Highsmith’ literarischer Vorlage. Es geht nicht mehr darum, der andere zu sein, es geht darum, zu haben, was er hat. Jude Law und Gwyneth Paltrow als feiste amerikanische Wohlstandskinder, die in Süditalien auf der Suche nach dem Dolce Vita sind, Matt Damon als kleinbürgerliches Milchgesicht, das auch sein Stück vom Kuchen will. Matt Damon verblüfft in der ersten halben Stunde noch als Stimmenimitator, hat für den Zwiespalt seiner Figur bald aber nur noch ein kleines Gestenarsenal zu bieten: Scheitel nach links, Brille auf, Brille ab.
Atmosphärisch bringt Minghellas Film zumindest in der ersten Stunde Spaß. Mit dem groovenden Jazz auf der Tonspur lebt man in den Tag hinein, genießt die ewigen Ferien am Mittelmeer und die Dekadenz auf Kosten von Papas Scheckbuch. Aber die swingende Unbestimmtheit weicht nach Dickies Ermordung einer klassischen Suspense-Musik. Es geht nicht um den Hintergrund, die Triebe, die Sehnsucht hinter der Maskerade, sondern um die Frage, wie lange sich Ripley halten kann, ohne erwischt zu werden. Statt mit den verschiedenen Lesarten des Romans zu spielen, pickt sich Minghella jeweils eine raus und walzt sie aus. So ist es hier letztlich sein uneingestandenes schwules Begehren, das für Ripleys Mutation zum Mörder herhalten muss. Eindeutigkeit auf allen Ebenen.
„The talented Mr. Ripley“. Regie: Anthony Minghella. Mit Matt Damon, Gwyneth Paltrow. Heute, 21 Uhr, Royal Palast, 15. 2., 20 Uhr, International
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen