: Kleine Waffen, große Killer
Der weltweite Handel mit Handfeuerwaffen soll stark eingeschränkt werden, fordert Unicef. Zehn Millionen deutsche Sturmgewehre sind auf dem Markt ■ Aus Berlin Reiner Metzger
500 Millionen Handfeuerwaffen sind weltweit im Umlauf, so eine Schätzung von Unicef Deutschland gestern auf einer Pressekonferenz in Berlin. Rund 90 Prozent aller Kriegsopfer sterben durch diese Kleinwaffen. Dies waren allein in den letzten zehn Jahren drei Millionen Menschen weltweit, die meisten von ihnen Frauen und Kinder, so das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen. Zu den Kleinwaffen zählen Pistolen, Maschinen- und Schnellfeuergewehre bis hin zur Panzerfaust. Die Hauptexporteure sind nach wie vor westliche und östliche Industrieländer, darunter auch Deutschland. Die Unicef, amnesty international und das Bonn International Center for Conversion (BICC) forderten deshalb gestern eine internationale Konvention, die den Export der Handwaffen regelt – ähnlich der Konvention zu Antipersonenminen, die 1997 im kanadischen Ottawa verabschiedet wurde.
„Die Diskussion um die Landminen hat gezeigt, dass ein Abkommen nur durch den Druck der Öffentlichkeit erreicht werden kann“, so Dietrich Garlichs, Geschäftsführer der Unicef Deutschland. Wenn es nach den drei Organisationen geht, sollte die UNO-Konferenz zum Thema „Kleinwaffen“ im Mai 2001 in eine weltweite Konvention zur Waffenkontrolle münden.
Ein Hauptproblem bei der Verbreitung der Kleinwaffen sind die Altlasten: Nach dem Ende des Warschauer Pakts und der klassischen Ost-West-Konfrontation auch in Entwicklungsländern wurden große Mengen an Waffen „frei“. So sind angeblich 70 Millionen Kalaschnikow-Maschinenpistolen und zehn Millionen Sturmgewehre G3 der deutschen Firma Heckler und Koch weltweit im Umlauf. Es ist möglich, nach Konflikten diese Waffen „abzuschöpfen“, wie Beispiele gezeigt haben. Auch ihre Vernichtung ist nach einer Studie des BICC relativ billig und problemlos.
Stattdessen werden die Waffen oft weiterverkauft oder gar an befreundete Nationen verschenkt. Ein ganz schlechtes Beispiel lieferte die damalige Bundesregierung nach dem Ende der DDR: Die Waffen der Nationalen Volksarmee wurden „nach dem Gießkannenprinzip an verschiedene Länder verteilt“, so Herbert Wulf, Direktor des BICC. Allein in die Türkei gingen 300.000 Kalaschnikow AK-47 samt Munition.
Ein weiteres Problem sind die Lizenzen zum Nachbau der Waffen in anderen Ländern. Deutschland war hier in den 60er- und 70er-Jahren beteiligt. „Neue Lizenzen sollten daher sehr restriktiv vergeben werden“, meint Wulf.
Eine Forderung für die UN-Konferenz 2001 ist auch, Waffenhändler offiziell zu erfassen. Sie sollen nur noch mit einer staatlichen Lizenz operieren dürfen.
Auch die Bundesregierung könnte einiges tun, meinte gestern Barbara Lochbihler, Generalsekretärin der deutschen Sektion von amnesty international. „Alle Rüstungstransfers sollten vor einer Exportgenehmigung öffentlich bekannt gemacht werden“, so Lochbihler, „inklusive der Lage der Menschenrechte im Empfängerland.“ Auch der Export so genannter „nichttödlicher Waffen“ wie Elektroschockwaffen oder chemischer Reizstoffe müsse umfassend in die Exportregelung aufgenommen werden.
Laut Auskunft der Bundesregierung wurden von 1997 bis 1999 aus Deutschland an Entwicklungs- und Schwellenländer geliefert: für 124 Millionen Mark Kleinwaffen, für 80 Millionen Mark Munition und für 13 Millionen Mark chemische und biologische Stoffe wie Reizgas. Deutsche Hersteller sind zum Beispiel Heckler und Koch aus Oberndorf am Neckar, nun zu British Aerospace gehörig, oder der Pistolenhersteller Umarex/Walther im westfälischen Arnsberg.
Internet-Adressen: Amnesty-Journal unter www.amnesty.de. Studien und Links unter www. bicc.de/weapons/frame.html.
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