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Synthetik-Ästhetik unter Kristall-Lüstern

■ Teletubbies machen kleine Kinder schlau: Besuch aus England im Hotel Atlantic

Let's have some innocent fun: „Unschuldigen Spaß“ nennt Anne Wood die Teletubbies. „Ey, du Wichser“, schreit eine Fotografin, weil ein Kollege sie beim Ablichten der britischen Tubbie-Erfinder behindert. Die waren gestern im Atlantic Hotel, und die Umgebung hätte unpassender kaum sein können: Schrillbunte Luftballons mit Tubbie-Motiven unter Kristall-Lüstern, und die Tische im Festsaal sind gedeckt, als wäre Kindergeburtstag: Pappbecher mit Teletubbies drauf, Pappteller mit Teletubbies drauf, auf jedem Platz ein Tubbie aus Plastik als Schlüsselanhänger. Postmoderne Synthetik-Ästhetik im Fünf-Sterne-Plüsch.

Und ein Medienaufgebot, als würde Roland Kochs Rücktritt erwartet. „Sie kommen“, sagt ein Kameramann. „Winke-winke“, ein anderer. Fotografen schreien sich an. Wer am lautesten „Give me a good smile“ brüllt, kriegt eines. „Look to the left“, „look to the right“, die ältere Dame mit den weißen Haaren und der Mann, der ihr Sohn sein könnte, machen alles. Vor ihnen ein Pappschild mit Teletubbies und wackelndem Staubsauger, Pose fürs Familienalbum.

Und dann sitzen sie im Festsaal auf dem Podium, abgeblitzt und abgefilmt, und erzählen. Vom unschuldigen Spaß, den die Erwachsenen den Kindern doch einfach lassen sollen. Davon, dass Teletubbies lehrreich sind, weil „die verschiedenen Kommunikationsformen in der Serie den Spracherwerb der Kinder fördern“, wie Anne Wood, die ehemalige Lehrerin, ausführt. Sie hatte die Idee, weil sie fand, dass es für Kleinkinder überhaupt keine eigenen Programme gibt. Warum die Serie so erfolgreich ist? „Weil Teletubbies die Welt genauso sehen wie Kinder.“ Ohoooohh. Und auch äußerlich gebe es Ähnlichkeiten: kurze Arme und große Köpfe hätten Babies wie Tubbies.

Richtig aufregen kann Anne Wood sich über die Frage, warum die Teletubbies keine Eltern haben. „Immer denken die Leute, dass eine Sendung für Kinder von Kindern handeln muss.“ Die Teletubbies hätten keine Eltern, weil sie keine Kinder seien. Und Tinky Winky ist auch nicht schwul, nur weil er lila ist, in der Hand eine Tasche und auf dem Kopf ein Dreieck trägt: „Die unterschiedlichen Farben lassen die Kinder die Teletubbies erkennen. Es ist traurig, wie Erwachsene etwas so Harmloses für ihre Zwecke missbrauchen“, kommentiert sie den Disput, der sich in den USA an Tinky Winky entzündet hat.

Und noch ein paar Wahrheiten: Über Fernsehen für Kleinkinder kann sich nur erbosen, wer hoffnungslos altmodisch ist: „Die Welt ist voller Bildschirme, und Kinder müssen sich frühzeitig an Technologien gewöhnen“, sagt Wood.

Teletubbieland liegt übrigens in England. „Wir verraten nicht, wo“, enttäuscht Andrew Davenport, Ko-Autor, Schauspieler und Sprecherzieher. Dafür verrät Wood, was sie für die gute Botschaft hält: Teletubbies lieben sich. Sandra Wilsdorf

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