Kommentar: Fatale Technik ■ Nach Fälschungen müsste Sellafield geschlossen werden
Angestellte der Atomanlage im britischen Sellafield haben Dokumente gefälscht und Messungen manipuliert. Ihre Chefs haben nichts gemerkt, natürlich von nichts gewusst, die Kontrollverfahren waren wirkungslos, so gestern ein Bericht der Regierung. Das Ganze geht seit mindestens drei oder vier Jahren.
Hätten nicht die japanischen AKW-Betreiber Lunte gerochen und mit Kündigung ihrer Verträge gedroht, wären auch die Aufsichtsbehörden weiterhin ahnungslos, aber gewissenhaft ihrer Aufgabe nachgegangen. Wenn es nur um die Lebensmittelkontrolle in der Werkskantine der britischen Wiederaufarbeitungsanlage ginge, wären die Vorgänge schon schlimm genug. Betroffen ist jedoch die Fertigung von Plutonium-Uran-Brennstäben für Atomreaktoren. Wenn schon mit dem Grundstoff für Atombomben und Brennstoffe der AKWs hantiert wird, dann wenigstens penibel. Ein Unternehmen, das dermaßen schlampt, verliert seine Existenzberechtigung.
Kommt nach all den Unfällen, Schlampereien, Verseuchungen der Irischen See und der Anwohner, nach all den Milliardenkosten und der sinnlosen Vermehrung des gefährlichen Strahlenmülls nun ein Plan für den Ausstieg aus der längst als fatal erkannten Technik? Weit gefehlt. Die Manager von Sellafield sind nicht einmal bereit, personelle Konsequenzen zu ziehen, geschweige denn ein Ende ihres Treibens ins Auge zu fassen.
Denn die britische Regierung will gar nicht durchgreifen. Solange die Pfründen der Atomwirtschaft Karrieren sichern und nicht ruinieren, wird immer weiter radioaktiver Müll aufgehäuft. Wie in Deutschland: Hiesige Atommanager in den Stromkonzernen und bei Siemens feilschen auch um jedes Jahr, das sie ihre Anlagen weiterbetreiben dürfen. In den derzeitigen Konsensgesprächen geht es um Restlaufzeiten von bis zu 20, 30 Jahren. Dem Druck der Konzerne und ihrer Kohorten werden die Unterhändler aus der Politik erst dann etwas entgegensetzen können, wenn sie Gegendruck kriegen.
So wie es aussieht, kann der selbst angesichts solch unglaublicher Skandale wie in England nicht von Fachbehörden oder Kommissionen kommen, sondern nur von der Straße. Ist nicht neu, die Erkenntnis, wird aber immer wieder vergessen.
Reiner Metzger
Schwerpunkt Seite 2
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