Der Mann verlangt ungeteilten Respekt

Zehn Dinge, mit denen man Johannes Rau besser nicht behelligt

Die vergangenen Wochen haben unschöne Versuche gesehen, dem Bundespräsidenten persönlich an den Karren zu fahren. Fragen, Nachfragen, Rückfragen und sogar Rücktrittsforderungen – mit solchen Frechheiten sollte nicht nur das Ansehen Johannes Raus, sondern unser politisches Gemeinwesen insgesamt beschädigt werden. Der Respekt vor dem höchsten Staatsamt gebietet es indes, solche Diffamierungen schon im Keim zu ersticken. Für diejenigen von uns, die aus eigenem Antrieb Respekt zeigen wollen, verteilt das Bundespräsidialamt jetzt eine Broschüre voller Tipps. Lernen auch Sie, mit dem ersten Mann im Staate richtig umzugehen:

1. Der Bundespräsident ist ein Mensch wie wir anderen auch. Er pflegt ein paar harmlose Laster, die in der tagespolitischen Auseinandersetzung keine Rolle spielen dürfen. Sagen Sie in seiner Gegenwart bitte nicht: „Sie rauchen ja wie ein Schlot!“ Auch Fragen nach seinen nikotingelben Fingern und ob diese demnächst wohl von selbst abfallen, müssen ungestellt bleiben.

2. Johannes Rau liebt seine Heimat. Versuchen Sie, die Ihre zu lieben – dann kommen Sie bestens mit ihm aus. Sagen Sie niemals, dass Ihnen das Bergische Land zu bergisch ist und Wuppertal hässlich wie etwas Erbrochenes.

3. Fragen Sie Herrn Rau nicht, was er von den „Teletubbies“ hält. Unterschwellige Versuche, das Amt des Bundespräsidenten in die Niederungen des Nonsenses zu zerren, gefährden die Autorität seines Amtes und schlagen letztlich auf uns selbst zurück.

4. Bieten Sie dem Bundespräsidenten keinen frisch gebrühten Tee an, auch nicht, wenn er mit Sahne und Klümpje-Kandis gewürzt ist. Johannes Rau trinkt solchen Alkohol nicht.

5. Das Privatleben des Präsidenten ist unter allen Umständen tabu. Was die treujunge Christina Rau während der auffällig häufigen Dienstreisen ihres Gatten macht, ist ihre Sache. Auch eventuelle Suchtprobleme der Rau-Kinder gehen Sie einen feuchten Kehricht an. Noch tabuer sind eigentlich nur die Reisen selbst.

6. Dazu gehört auch: keine Anspielungen auf Fliegenfänger, Fliegenpilze oder Jürgen Fliege. Gerade der Fernsehpfaffe ist Herrn Rau schon lange ein Dorn im Auge. Er beutet Raus Lebensmotto „Versöhnen statt spalten“ zu kommerziellen Zwecken aus und dient sich damit dem Wahlvolk als der bessere Präsident an – freilich ohne jede demokratische Legitimation. So geht es nicht! Schämen Sie sich, Herr Fliege!

7. Zum Weltgeschehen äußert sich der Bundespräsident sehr gern. Am liebsten zu kleinen sympathischen Nachbarstaaten wie den Niederlanden, Norwegen oder Neuseeland. Fragen Sie ihn keinesfalls nach heimlichen Kontakten zur Hisbollah. Das nimmt er übel – der Leidtragende ist, wie immer, der kleine Mann.

8. Über den fatalen Hang vieler Pietisten zur Heuchelei spricht Herr Rau grundsätzlich nicht. Als Inhaber des höchsten Staatsamtes verbittet sich der Präsident solch ungehörige Themen schon allein deshalb, weil er sie nicht gern hört. Und auch nicht mehr so gut.

9. Der Präsident macht gelegentlich Fehler, gewiss. Ihm dies aber konstant unter die Nase zu reiben, ist nicht nur hässlich, sondern auch kleinlich und überaus dumm. Wer ist denn hier immerhin Staatsoberhaupt?! Wer repräsentiert denn Deutschland in aller Welt, mithin auch Sie?! Na eben.

10. Doch nicht nur das hohe Amt, auch die Lebenserfahrung Herrn Raus gebietet höchsten Respekt. Man sage also niemals: „Sie wirken so alt. Ich hätte Sie glatt für den Vater des Präsidenten gehalten.“ Auch verboten: „Debiler Knacker, sabber jemand anderen voll!“ Herr Rau kann auf derlei Neckereien sehr ungehalten reagieren. Und das mit Recht: Andere Politiker sehen schließlich auch nicht besser aus, sind aber oft schon tot. Mark-Stefan Tietze