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Journalisten-Safari

■ Südafrikas Menschenrechtskommission will ein Tribunal über Rassismus in den Medien. Die fürchten jetzt um die Pressefreiheit

Johannesburg (taz) – Eine öffentliche Untersuchung von Rassismus in den Medien hat in Südafrika zu einer heftigen Kontroverse über Pressefreiheit und die Unabhängigkeit der Medien geführt. Die in der ersten demokratischen Verfassung des Landes garantierte Menschenrechtskommission wirft den Medien nicht nur vor, auch nach fünf Jahren Demokratie noch immer rassistische Vorurteile zu transportieren oder gar zu fördern. In einer Art öffentlichem Tribunal sollen rund 30 Chefredakteure aller großen Tageszeitungen und des staatlichen Rundfunks wie Angeklagte Rede und Antwort stehen.

Tribunal als Vorbote einer neuen Pressezensur

Erst nach einem schriftlichen Protest des Verbandes der Chefredakteure – an dessen Spitze ein Schwarzer steht – an die Kommission gab diese jetzt scheinbar nach und will zumindest die Vorladungen zurücknehmen. Im Gegenzug allerdings erwartet deren Vorsitzende, der frühere Anti-Apartheid-Aktivist Barney Pityana, nun aber eine schriftliche Versicherung seitens der Gescholtenen, persönlich vor der Kommission zu erscheinen und sämtliche an sie gestellten Fragen zu beantworten.

Nicht zu Unrecht sehen nun viele Journalisten in einem solchen Tribunal eine Art Hexenjagd, an deren Ende gar neue Zensurgesetze stehen könnten. Die rabiate Vorgehensweise der vom Präsidenten persönlich ernannten Hüter über Rassismus hat zu einer bislang nicht dagewesenen Einmütigkeit geführt.

Ausgelöst wurde die Untersuchung durch eine Beschwerde des Verbandes schwarzer Anwälte bei der Menschenrechtskommission. Die Juristen warfen darin der linksliberalen Wochenzeitung Mail & Guardian sowie der größten englischsprachigen Sonntagszeitung Sunday Times vor, „Grundrechte der schwarzen Bevölkerung fundamental zu verletzen“. Laut ihrem Auftrag darf die Kommission eine solche Beschwerde zum Anlass nehmen, eine formale Untersuchung einzuleiten und Vorladungen zu erteilen. Wer einer solchen nicht nachkommt, macht sich per Gesetz, ähnlich wie früher vor der Wahrheitskommission, strafbar und kann mit bis zu sechs Monaten Gefängnis belegt werden.

Die Kommission begann im vergangenen Jahr mit ihrer Untersuchung und rechtfertigte sie mit der Begründung, man könne sich nicht mit Menschenrechten befassen, ohne sie in einen Kontext zu stellen. „Rassismus ist in der südafrikanischen Gesellschaft endemisch, und es gibt keinen Grund anzunehmen, dass die Medien davon ausgeschlossen wären“, so Kommissionschef Pityana. Ziel der Untersuchung solle sein, die Sensibilität aller Südafrikaner gegenüber Rassismus zu erhöhen.

Das klingt zwar schön, doch auch die Untersuchungsmethoden der Kommission können bestenfalls als zweifelhaft gelten. Um ihre These zu belegen, gab sie zwei Studien in Auftrag. Beide kamen zu dem wenig überraschenden Befund, dass Rassismus in der südafrikanischen Gesellschaft insgesamt und in den Medien noch immer alltäglich sei und entsprechende Stereotype und Vorurteile verwendet würden. Zwar fanden die Autoren durchaus seriöse Beispiele: Schwarze werden immer noch häufig latent als dumm, korrupt und inkompetent dargestellt. Andere Beispiele allerdings legen den Verdacht nahe, dass politische Korrektheit den Blick vollkommen verstellt hat.

Studien argumentieren mit absurden Beispielen

So wurde einer Zeitung beispielsweise vorgeworfen, Schwarze zu entpersonalisieren. Ihr Vergehen: der Abdruck einer Reuters-Meldung mit der Überschrift „60 Menschen in Auseinandersetzungen in Nigeria getötet.“ Das wohl absurdeste Beispiel ist ein Foto in der Johannesburger Tageszeitung The Star, das zwei Vögel vor einer Mülltonne zeigt. Damit, so die Autorin der Studie, würden die Ängste von Weißen vor einer Afrikanisierung der Innenstadt transportiert. Was ihr entgangen war: Das Foto war in Uganda aufgenommen worden. „Ich begrüße grundsätzlich die Untersuchung“, kommentierte Chefredakteur Peter Sullivan spöttisch, „ein solcher Unsinn macht es einem aber schwer, sie noch ernst zu nehmen.“

Linke Zeitung nach Kritik am ANC in Schwierigkeiten

Manche seiner Kollegen wurden weitaus deutlicher. Einen „neuen McCarthyismus“ befürchtet etwa Philip van Niekerk, Chefredakteur der kleinen Mail & Guardian. Ironischerweise hat es die linke Wochenzeitung unter der neuen ANC-Regierung besonders schwer, wohl nicht zuletzt, weil sie als fast einzige Zeitung in Südafrika investigativen Journalismus betreibt und auch nicht davor zurückschreckt, die neuen Herren der Macht scharf zu kritisieren. Die reagieren darauf höchst empfindlich und schwingen dann gern die Rassismuskeule. Seitenweise darf Regierungssprecher Parks Man-kahlana immer dann über Rassismus in den Medien schwadronieren, wenn zuvor die Regierung gescholten wurde.

Nicht nur dieses regelmäßig wiederkehrende Muster legt den Verdacht nahe, dass die Menschenrechtskommission so unabhängig nicht ist, wie sie gern behauptet. Rassismus ist eines von Präsident Thabo Mbekis liebsten Themen, und in seiner jüngsten Regierungserklärung kündigte er an, noch in diesem Jahr einen nationalen Rassismuskongress einzuberufen. Auch die Finanzzeitung Business Day vermutete in einem Leitartikel, dass sich hinter der Untersuchung ein Angriff auf die Pressefreiheit verberge. „Wenn Chefredakteure vor einem Tribunal die Inhalte ihrer Publikationen rechtfertigen müssen, wird ein gefährlicher Präzedenzfall geschaffen“, heißt es dort. Heute sei der Gegenstand der Untersuchung noch Rassismus. Morgen aber könnte es, so befürchtet die Zeitung, wieder „Medienterrorismus“ sein – ein Begriff, den die Apartheidherrschenden gern verwandten – oder schlichte Kritik an der Regierung. Kordula Doerfler

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