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Alle finden „Schrödi“ total nett

■ Der Autokanzler feiert selbst den Karneval noch im VW-Automobilforum – mit Kids, Pappscheck und Fußballwitzen. Denn: „Die VW-Leute wollen Kindern helfen“

Wenn Erwachsene sich verkleiden, geht das manchmal schief. Damit alle wissen, was der Mann mit der karierten Hose hier tut, hat er ein Plastik-Schildchen am Hosenträger hängen. „Clown“ steht da drauf. Die Kinder nehmen das hin. Der Typ zeigt, wenn es was zu klatschen gibt, Erdnussflips und Fanta stehen auf dem Tisch - was will man mehr? Alle tragen Kostüme, wie sie in den Faschingsabteilungen der Kaufhäuser angeboten werden.

Karneval ist in Berlin etwas Übergestülptes. Die Grundschüler akzeptieren dieses Datum als eine prima Party mehr im Jahr. Das VW-Automobilforum Unter den Linden nutzt das Ereignis für eine bodenständige Familien-Werbung. Man kann als Autohaus zeigen, dass man ein großes Herz hat und Prominente kennt. Darum wollte die Volkswagen AG auf einer Kinderkarnevalsfeier der Kanzlergattin Doris Schröder-Köpf als Schirmherrin der Bundesarbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendtelefon e.V. einen 50.000-Mark- Scheck überreichen.

Doch es kam noch viel besser. Denn statt Frau Köpf kam ihr Mann. Der Bundeskanzler. Tochter Klara liegt mit Scharlach im Bett, Doris Köpf pflegt, Gerhard Schröder springt ein. Als der Clown, die 56 Cowboys und Hexen der 9. Grundschule in Mitte und ihre als Prinzessin kostümierte Schulleiterin schon eine gute Portion Anfeuerwitzchen gehört und jede Menge Süßigkeiten vertilgt haben, rauscht der Bundeskanzler leibhaftig in den Saal des Automobilforums.

Fernsehgesichter haben in Natura oft etwas Maskenhaftes. Das fasziniert die 11-Jährigen. Gerhard Schröder setzt ein Grinsen auf, das anhält, bis er wieder hinausbraust. Fast werden ein paar Kinder von den Fotografen, Journalisten und Kamerateams zertrampelt, aber die Stimmung ist gut. Der Kanzler bekommt eine Luftschlange umgehängt. Der Leiter „Regierungsbeziehungen“ der Volkswagen AG drückt ihm einen großen Pappscheck in die Hand. Der ist für das Kindersorgentelefon „Nummer gegen Kummer“. Denn „die VW-Leute wollen Kindern helfen“, behauptet der Bundeskanzler und macht einen Fußballwitz.

Der eingekaufte Animierclown überschlägt sich fast. So einfach ist das. Alle Kinder finden „Schrödi“ total nett. Ein Mädchen mit Strohhut sagt, sie wird sein Autogramm in ihr Tagebuch kleben. Die meisten finden es sowieso viel besser, dass der Kanzler statt seiner Frau gekommen ist. Die kennt von den Kindern hier keiner. Ein Pferdeschwanzmädchen fragt: „Ist die hübsch?“

Kirsten Küppers

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