: Die Bahn kommt – in die Miesen
■ Bahnchef Mehdorn leugnet konkrete Sparpläne. Im vergangenen Jahr fuhr sein Unternehmen erstmals seit der Gründung 1994 Verluste von 170 Millionen Mark ein. Fern- und Nahverkehr werden zusammengelegt
Berlin (taz) – Die Deutsche Bahn hat im vergangenen Jahr erstmals seit ihrer Gründung 1994 ein negatives Betriebsergebnis eingefahren. Durch „einige Sonderfaktoren“ sei die Bahn 1999 auf minus 170 Millionen Mark gerutscht, erklärte der neue Bahnchef Hartmut Mehdorn gestern. Der Umsatz habe bei 30,9 Milliarden gelegen.
Im Fernverkehr verzeichnete die Bahn immerhin ein Umsatzplus von 3 Prozent, während der Güterverkehr um 4 Prozent absackte. Außerdem ist in diesem Januar ein Güterverkehrsplus von 4 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat erzielt worden.
Selbstredend muss angesichts all der miesen Zahlen gespart werden: Bei konsequenter Umsetzung seiner Pläne gehe der Vorstand aber von einer Ertragswende in diesem Jahr aus. Einen konkret geplanten Stellenabbau dementierte Mehdorn hingegen. „Es gibt nicht die Ahnung einer Zahl.“ In den vergangenen Tagen kursierten Listen, die einen Abbau von fast 70.000 Stellen vorsahen. Man stehe zur Zeit mit den Gewerkschaften im Gespräch, sagte Mehdorn gestern bei der kurzfristig angesetzten Pressekonferenz. Je näher man sich bei den Tarifbeträgen käme, desto weniger Entlassungen werde es geben.
Die Gewerkschaften hatten in den vergangenen Tagen jedoch bereits mit „Arbeitskampf“ gedroht. Der Vorsitzende Norbert Hansen sprach gestern allerdings von „kritischer, aber konstruktiver“ Begleitung der Reformpläne. Je näher man sich bei den Tarifverträgen käme, desto weniger Personalabbau sei nötig, sagte Mehdorn. Kündigungen wollte er aber nicht ausschließen.
Mehdorn versuchte gestern, mit nebligen Formulierungen Normalität zu demonstrieren. Nur an einer Stelle wurde er konkret: Der Aufsichtsrat hatte die Neuordnung der Führungsstruktur gebilligt. Demnach wird der Konzern in fünf Unternehmensbereiche aufgeteilt: Personenverkehr, Güterverkehr, Fahrweg, Personenbahnhöfe und Immobilien. Nah- und Fernverkehr werden zukünftig also gemeinsam gemanagt.
Mehdorn verwies zum Thema Streichung von Bahninvestitionen aufgrund von Kostenexplosionen bei Großprojekten – die der ICE-Strecke Frankfurt – Köln und dem Berliner Knoten Lehrter Bahnhof – auf die Verantwortung der Politik: Für die großen Renommierprojekte der Bahn soll demnach gefälligst der Steuerzahler aufkommen. Mehdorns Begründung lautete, eine Verlängerung von Planfeststellungsverfahren und neue Sicherheitsvorschriften für Tunnel seien nicht von der Bahn zu verantworten.
Auch die Streichung von Interregios sei kein konkretes Thema. Man spreche hier mit den Ländern über „ein marktorientiertes Netz“. Es gehe aber keineswegs darum, sich aus einzelnen Verkehrsbereichen ganz abzumelden oder „heimlich und listig“ an das Bahnbudget der Länder Hand anlegen zu wollen.
Annette Jensen
Berichte Seite 8
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