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Spielfreude verboten

■ St. Pauli erspielt sich beim 1:1 gegen TeBe Berlin glücklich einen Punkt gegen den Abstieg

Niemandem beim FC St. Pauli käme es in den Sinn, das Wort Abstieg in den Mund zu nehmen. Man wolle sich in der Tabelle nach oben schieben, so das erklärte Ziel von Trainer Willi Reimann. Wie das geschehen soll, darüber ist sich der Coach offensichtlich noch nicht ganz klar. Durch Fußball spielen aber bestimmt nicht.

Die gestrige Leistung der Profis vom Millerntor gegen die Auf-stiegsaspiranten und Millionentruppe von TeBe Berlin war gruselig. Ein Elfmetertor von Ivan Klasnic – Miguel Pereira war von Marko Tredup gefoult worden – reichte, um beim 1:1 einen Punkt zu holen. Das sah selbst Reimann so. Es sei das „optimale Ergebnis bei diesem Spielverlauf“ gewesen, erkannte der Übungsleiter, der sonst gerne von der dankenswerten Einsatzbereitschaft seiner Mannschaft redet. „Glücklich“ wäre der bessere Ausdruck gewesen.

Denn beim FC St. Pauli fehlt es an allen Ecken und Enden. Irgendjemand muss den Spielern beigebracht haben, den Ball auf gar keinen Fall schnell zum nächststehenden Mitspieler weiterzugeben. Statt dessen wurde am Millerntor offensichtlich die Regel eingeführt, dass ein Pass erst dann ausgeführt werden darf, wenn der Spieler den Ball mindestens viermal weitergeführt hat. Spielfluss oder gar Spielfreude gibt es so nicht.

Ein weiteres Verbot erging gegen gute Ideen. Einfach einmal einen überraschenden Pass zu schlagen wurde den Kickern untersagt. Damit könnte man ja die Mitspieler überfordern. Flanken stehen ebenfalls auf dem Index, denn das können die Spieler nicht. Was sie regelmäßig bei Ecken unter Beweis stellen: Dann wird der Ball möglichst flach und luschig dem Gegner zugespielt.

Die Gründe dafür, warum gestandene Profis so schlecht spielen, liegen weitgehend im Dunkeln. Eins jedoch ist sicher: Eine fußballerische Vision hat Willi Reimann nicht. Statt dessen wurschteln sich er und seine Mannschaft halbherzig durch die Niederungen der Zweiten Liga. Von modernem Fußball sind die Angestellten des FC St. Pauli so weit entfernt, wie sie der Regionalliga nahestehen. Das sollte man am Millerntor langsam akzeptieren.

Eine interessante Variante ergab sich auch auf der Pressetribüne: Den Medienvertretern wurde unter Hinweis darauf, die Karte – wohlgemerkt die, mit der die Schreiber das ganze Jahr über die Spiele verfolgten – gelte nicht, der Zutritt auf die angestammten Sitzplätze verweigert. Selbst einer der Redaktionsleiter der Stadionzeitung kam nur nach Protest auf seinen Platz. Während des Spiels wurde jedoch klar, dass dies dem Schutz der Journalisten hätte dienen sollen. Das traurige Gekicke sollte ihnen erspart bleiben.

Eberhard Spohd

St. Pauli: Wehlmann, Karl, Trulsen, Ahlf, Wolf, Lotter, Polunin (ab 85. Tsoumou-Madza), Hanke, Trejgis (ab 46. Karaca), Pereira (ab 57. Puschmann), Klasnic

TeBe: Hilfiker, Suchoparek, Walker, Tredup, Melzig (ab 17. Hamann), Ouakili, Weiland (ab 85. Kirjakov), Sakiri, Brinkmann, Ciric, Rösler

Sr.: Sippel – Z.: 11.750

Tore: 0:1 Ouakili (18.), 1:1 Klasnic (51., Foulelfmeter)

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