: Öffentliche Diskussion ist erforderlich
betr.: „Lügen im Namen Gottes“, taz vom 21. 2. 00, „Allah kommt auf den Stundenplan“, taz vom 24. 2. 00
[...] In der taz wird argumentiert, dass die Islamische Föderation e. V. nicht auf dem Boden der Verfassung stünde. Die Klassifizierung von Gruppen in Deutschland als verfassungsfeindlich ist als solche schon fragwürdig, jedenfalls ist sie aber an strenge Voraussetzungen geknüpft. Als Verein kann die Islamische Föderation e. V. wegen Verfassungsfeindlichkeit nach dem Vereinsgesetz verboten werden. Bisher ist ein solches Verbot nicht ergangen. Verfassungswidrig wäre es, diese Religionsgemeinschaft bereits vor Erlass eines Verbotes zu sanktionieren – durch die Verwehrung der Möglichkeit, Religionsunterricht an Berliner Schulen zu erteilen.
Vielleicht ist die Islamische Föderation e. V. eine fundamentalistische Organisation, die die Freiheit von Andersgläubigen negiert und damit einen wesentlichen Verfassungswert, nämlich das Recht des Einzelnen auf Selbstbestimmung, nicht anerkennt. Wenn die Islamische Föderation aber von der „Mehrheitsgesellschaft“ abgeschottet, zum Beispiel an Koranschulen, den Islam lehrt, stehen die von ihr vermittelten Werte nicht zur Disposition. Eine öffentliche Diskussion über Wertvorstellungen der Islamischen Föderation ist aber erforderlich, damit die Gesellschaft selber dafür sorgen kann, dass Gruppen, die fundamentale Verfassungswerte wie die Trennung von Staat und Kirche und die staatliche Demokratie nicht anerkennen, sich nicht durchsetzen können.
An öffentlichen Schulen kann anders als an Koranschulen eine Diskussion über Religions- und Wertvorstellungen stattfinden, hier müssen sich zum Beispiel die SchülerInnen eines muslimischen Religionsunterrichtes viel schneller den Fragen und der Kritik ihrer MitschülerInnen stellen.
Zudem gilt ebenso wie bei den häufig geforderten Verboten von „rechten“ Demonstrationen auch hier, dass wer nach dem Verbot des anderen schreit, schnell riskiert, dass er selber verboten wird.
KIRSTEN WIESE, Berlin
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