: Willys Enkel heißt Kim
Südkoreas Präsident Kim Dae-jung zeigt sich in Berlin als gelehriger Schüler Willy Brandts und setzt auf Entspannungspolitik gegenüber Nordkorea
aus Berlin SVEN HANSEN
Mit einer „Berliner Erklärung“ hat Südkoreas Präsident Kim Dae-jung bei seinem Deutschlandbesuch das verfeindete Nordkorea zu Entspannung, Versöhnung und Zusammenarbeit aufgefordert. In einer Grundsatzrede, in der er Lehren aus der deutschen Wiedervereinigung zog und sich dabei auf Willy Brandt berief, stellte er am Donnerstagabend an der Freien Universität Berlin seine so genannte „Sonnenscheinpolitik“ gegenüber dem nördlichen Bruderstaat dar. Kim bietet dem Norden eine Sicherheitsgarantie, Hilfe beim Wirtschaftsaufbau und internationale Unterstützung. Im Gegenzug müsse Nordkorea auf Agressionen sowie die Entwicklung von Atomwaffen und Langstreckenraketen verzichten.
„Es geht um eine umfangreiche Annäherungspolitik, die auf Gegenseitigkeit, also Geben und Nehmen basiert“, so der frühere Dissident und heutige Präsident. Laut Kim habe Nordkorea nur die Wahl zwischen Krieg, dem Status quo und der Öffnung. Doch nur letzteres sei realistisch. Das Ziel müsse die Beendigung des Kalten Krieges auf der koreanischen Halbinsel und die Sicherung des Friedens sein. Eine baldige Wiedervereinigung sei unrealistisch. Ausdrücklich ermuntert Kim andere Staaten, durch Kontakte und Zusammenarbeit Nordkoreas Isolation zu beenden.
Kim verwies auf erste Erfolge: ein deutlicher Anstieg der Investitionen südkoreanischer Firmen im Norden und Reisen von über 180.000 südlichen Touristen zum nördlichen Berg Kumgang. Doch während seine Nordpolitik bisher gerade durch die Trennung von Privatwirtschaft und staatlicher Politik Schwung entwickelte, sagte Kim jetzt: „Es ist höchste Zeit, die Zusammenarbeit auf der Regierungsebene herbeizuführen.“ Er schlug den Austausch von Sondergesandten vor.
Von Berlin aus machte Kim damit auch Wahlkampf. Denn am 13. April sind in Südkorea Parlamentswahlen. Seine Regierung verlor erst kürzlich ihre Mehrheit im Parlament. Als vertrauensbildende Maßnahme hatte Kim erstmals seine Rede vorab an die Regierungen Nordkoreas, Chinas, Russlands und der USA geschickt. Die Regierung in Pjöngjang steht Kims Politik bisher zurückhaltend gegenüber. Während sie eine internationale Aufwertung anstrebt, hält sie Kim auf Distanz und schreckt auch nicht vor Provokationen zurück. So positiv die deutschen Erfahrungen der Entspannungspolitik für Kim sind, so negativ müssen sie letztlich angesichts des Verschwindens der DDR für das nördliche Regime sein.
Bundeskanzler Gerhard Schröder versprach Kim die Unterstützung Berlins. Im Gegenzug versprach der Präsident dem Autokanzler die Abschaffung der Importbehinderungen für ausländische Fahrzeuge.
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