: Nicht auf den Seher gehört
Einen Visionär hat der Hamburger SV, aber gelegentlich unfähige Fußballer. Und so gewinnt der ehemalige Regionalligist SSV Ulm beim Champions-League-Anwärter mit 2:1
aus Hamburg EBERHARD SPOHD
Werner Hackmann ist nicht nur Vorstandsvorsitzender des Hamburger SV, sondern auch ein Visionär. „Gegen den SSV Ulm steht ein Spiel an, das man eigentlich nur verlieren kann“, warnte er vor dem Anpfiff und, siehe da, er sollte mit dieser Prognose Recht behalten: Die desolat auftretenden Hanseaten unterlagen den Schwaben mit 1:2 und waren mit diesem Ergebnis auch noch gut bedient. Obwohl die Rothosen, die so oft schon brillierten in dieser Saison, im Vorfeld der Partie bekundeten, dass man die Ulmer gewiss nicht unterschätzen werde, bekamen die Spieler von Trainer Frank Pagelsdorf ihren Gegner nie in den Griff.
Zu wenig spielten sie ihre Stärken aus: Die langen Pässe auf die Flügel kamen nicht an. Das ansonsten schnelle und direkte Spiel lahmte, da kaum ein Kurzpass präzise den Mitspieler erreichte. Die Abwehr wirkte unsicher, das Mittelfeld ideenlos und die Stürmer wurden selten mit brauchbaren Bällen bedient.
Immer wenn der Ball einen Hamburger erreichen sollte, war mit Sicherheit einer der Ulmer Abwehrspieler zur Stelle, um zu stören. Deren Viererkette ließ den Stürmern des HSV keinen Platz, um ihr zuletzt so erfolgreiches Spiel aufzuziehen.
Und im Angriff führten die so genannten Ulmer Spatzen vor, wie man erfolgreich kontert. In der 35. Minute ging es beispielsweise vorbildlich über zwei Stationen auf dem linken Flügel nach vorn. Ein einfacher Diagonalpass von Leandro genügte, um die die Abwehr der Hamburger zu düpieren. Rainer Scharinger hatte keine Mühe mehr, allein gegen den machtlosen Jörg Butt das 1:0 zu erzielen.
Auch beim 2:0 durch Bernd Maier – derselbe, der nach seinen in den letzten Spielen vergebenen Chancen unkte, er werde in diesem Jahr wohl keinen Treffer mehr erzielen – sah nicht nur die HSV-Verteidigung schlecht aus, sondern auch der viel gelobte Keeper Butt, der offenbar im anderen Toreck nach dem Leder suchen wollte. Und Elfmeter für den HSV gab es auch nicht.
In der zweiten Hälfte kam der Hamburger SV etwas besser ins Spiel und hatte sogar einige Möglichkeiten. Doch deren Auswertung war eher originell denn erfolgreich: Entweder schossen die Angreifer Roy Präger und Karsten Bäron Torhüter Philipp Laux direkt an oder sie versuchten, allein vor dem Gehäuse stehend, einen Mitspieler zu finden, der eventuell noch besser postiert wäre.
„Wir haben viel zu wenig gemacht. Das war der ausschlaggebende Fehler“, kritisierte Trainer Frank Pagelsdorf ziemlich konsterniert den Mangel an Arbeitseinsatz und Präzision. So war die erste Heimniederlage der Hamburger seit dem 13. März vergangenen Jahres durchaus verdient. Denn eine Binsenweisheit haben die Hanseaten entgegen eigenem Bekunden nicht beherzigt: Gegen Ulm darf man nicht antreten, als spiele man gegen einen Immer-noch-Regionalligisten, sondern muss sich ebenso konzentrieren wie bei jedem anderen Bundesliga-Match. „Eine Katastrophe. So ein schlechtes Spiel habe ich noch nicht erlebt“, haderte denn der Argentinier Rodolfo Cardoso hinterher mit seiner Leistung, und Kovac ergänzte: „Die Ulmer haben uns wirklich vorgeführt.“
Nach dieser Niederlage steht der Hamburger SV im Kampf um einen Platz in der Champions League auf einmal wieder schlecht da, obwohl die Leistung der vergangenen Wochen eher dazu angetan war, nach oben zu schielen, statt sich vor seinen Verfolgern wie 1860 München oder Kaiserslautern zu fürchten. Zumal diese Teams ohnehin nicht gerade konstant spielen.
Doch wie hatte Werner Hackmann ebenfalls vor dem Spiel gesagt: „Unsere gute Ausgangsposition bringt auch eine Last mit, nämlich, dass sie von Spiel zu Spiel bestätigt werden muss.“ Das ist dem Hamburger SV am Samstag nun wirklich sehr eindrücklich nicht gelungen.
Hamburger SV: Butt - Hertzsch, Hoogma, Panadic (73. Doll) - Groth, Kovac, Cardoso, Hollerbach (46. Gravesen) - Mahdavikia, Hashemian (46. Bäron), PrägerSSV Ulm: Laux - Bodog, Marques, Stadler, Kinkel - Scharinger, Otto (69. Unsöld), Gora, Maier - Leandro (90. Trkulja), van de Haar (73. Rösler) Zuschauer: 29.100, Tore: 0:1 Scharinger (35.), 0:2 Maier (65.), 1:2 Gravesen (90.)
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