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Totem für Köln

Auf der Suche nach einer „Standart“ zwischen Höhlenmalerei und Informationstheorie: Das Georg Kolbe Museum zeigt Bronzeskulpturen des Dresdner Künstlers A. R. Penck

Wie Wächter posieren am Eingang zwei ähnlich geformte Menschengestalten: Nr. I und II von „Standart T (X)“. Als eindeutig männlich gekennzeichnete Elementarfiguren haben sie die Arme erhoben, die Beine gespreizt. Die Körperformen erscheinen insektenartig, die Habtachthaltung halb komisch, halb unheimlich. Man wird gewarnt – doch zugleich auf den Weg zur Ausstellung im Georg Kolbe Museum verwiesen.

Zu sehen sind rund 80 Bronzeplastiken von A. R. Penck, dessen Werk vor allem auf der Malerei gründet. 1939 in Dresden geboren, war der autodidaktische Künstler in der DDR einst der bekannteste Dissident, bevor er 1980 in den Westen ausreiste und zum Star avancierte. Seine zum Monumentalformat sich ausweitenden Gemälde sind geprägt von einer archaisch-zeichenhaften Bildsprache.

Schon in den Siebzigerjahren begann Penck auch plastisch zu arbeiten, meist mit „armen“ Materialien wie Holz, Styropor, Gips und Fundstücken. Erst 1984 ließ er Arbeiten in Bronze gießen. Aus diesem Jahr stammen auch die frühesten Plastiken der Ausstellung. Das bildnerische Vokabular hat seine Wurzeln in der Entwicklung von Pencks objektivierender „Standart“. Sie entstand aus seiner Beschäftigung mit Informations- und Gesellschaftstheorie und dem Rückgriff auf die Uranfänge der Kunst bis hin zur Höhlenmalerei der Eiszeit: „Standart ist eine Form von Censept Art. Standart = Konzept, Plan, Idee, Strategie.“ Seine Skulpturen lassen sich als „Denkmal“ oder „Totem“ begreifen, Repräsentationsformen, denen er neue Dimensionen eröffnet.

Im oberen Ausstellungsraum dominieren vertikale, stelenhafte Skulpturen. Die Spanne reicht vom eher untersetzten, wuchtigen „Selbstkopf“ über den spindeldürr-balancierenden „Tschechischen Kellner“ bis zu „Totem für Köln“ und „Mi-Cla-Ma (Middle Class Man)“ – kerzengerade aufsteigende knochige, durchbohrte Formen (der „Endlosen Säule“ von Brancusi vergleichbar). Im unteren Raum finden sich kleinere, teils in die Horizontale sich entwickelnde Arbeiten. Bestes Beispiel dafür sind „Gefiederte Schlange“ (wie „Aztontek“ auf präkolumbianische Anregungen verweisend) und „Fliege mein Schiff, fliege“.

Hinzu kommen gedrungene (an die prähistorischen Steinkreise von Stonehenge erinnernde) schädel- oder steinähnliche Rundkörper wie „Eidetos (Weg in die Zukunft)“ und bühnenartige, mehrteilige Ensembles wie das „Denkmal für Tel Aviv“. Die Gruppe von kaum daumengroßen Bronzen, die aus Korken geschnitzt wurden, stellt gedrungene, zerklüftete Köpfe und Frauentorsi dar – entfernte Verwandte der 25.000-jährigen Venus von Willendorf. MICHAEL NUNGESSER

Georg Kolbe Museum, Sensburger Allee 25, bis 26. März; Dienstag bis Sonntag 10-17 Uhr, Katalogbuch 39 DM

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