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SPD unter Beobachtung

Geht es um den Dauerbrenner Videoüberwachung, ist die CDU zuversichtlich geworden, dass die SPD in Bälde einknicken wird. Es wäre nicht das erste Mal. Doch noch geben sich die Sozis standhaft

von ANNETTE ROLLMANN

Die CDU setzt die Sozialdemokraten unter Druck – mit Hilfe der Genossen in anderen Bundesländern. „Die SPD wird sich beim Thema Videoüberwachung bewegen müssen“, fordert der innenpolitische Sprecher der CDU, Roland Gewalt. „Die Entwicklung überrollt die Berliner Sozialdemokraten.“ Schließlich gehe der Trend in Deutschland eindeutig in Richtung Videoüberwachung.

Als Trendsetter wirkt derzeit die SPD in Sachsen-Anhalt: Der dortige Innenminister hat sich für die Überwachung öffentlicher Orte mit Videokameras ernsthaft mit der PDS verstritten, die in Magdeburg eine SPD-Minderheitsregierung toleriert. Auch die Bremer SPD steht der neuen Überwachungstechnik „pragmatisch“ gegenüber.

Doch die Berliner SPD will hart bleiben. In den Koalitionsverhandlungen habe sie die Videoüberwachung verhindert, sagt der innenpolitische Sprecher der SPD, Hans-Georg Lorenz. „Es liegen keine neuen Vorschläge auf dem Tisch. Aber wenn Herr Gewalt unbedingt will, schenken wir ihm eine Videokamera zu Weihnachten.“ Lorenz hält es zum Beispiel für sinnlos, am Kottbuser Tor Videokameras zu installieren. „Ich kenne das Elend der Drogenabhängigen da. Das kennt auch die Polizei. Auch ohne Videokameras.“

Geht es nach der CDU, sollten das Kottbusser Tor und die anderen 30 von der Polizei als „gefährliche Orte“ ausgewiesenen Plätze und Straßen von Videokameras überwacht werden. Laut Gewalt haben Untersuchungen zum Beispiel am Leipziger Hauptbahnhof gezeigt, dass dadurch die Anzahl der Raubdelikte und der Autodiebstähle deutlich abnehme. Kritiker dagegen bemängeln, dass Videoüberwachung nur die Kriminalität an andere Orte verdränge und zudem die Persönlichkeitsrechte des Einzelnen nicht gewahrt würden.

Dennoch traut nicht nur die CDU der SPD einen Kurswechsel zu. „Auf die Standfestigkeit der SPD kann man nicht setzen“, sagt auch der grüne Fraktionsvorsitzende Wolfgang Wieland. Schließlich wäre es nicht das erste Mal: Noch Mitte 1998, erinnert Wieland, trat die SPD als entschiedener Gegner von Schleierfahndung und verdachtsunabhängigen Polizeikontrollen auf. Nicht viel später einigte sich die Koalition auf einen Kompromiss: Die Schleierfahndung wurde eingeführt, muss aber vom Polizeipräsidenten angeordnet werden. Auch die umstrittene Umwandlung der Freiwilligen Polizeireserve trug die SPD mit.

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