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Ränke um Jackson Park

Michael liebt Polen, Polen will Michael, doch aus dem Vergnügungspark, den der „King of Pop“ in Warschau errichten will, wird hartnäckig nichts. Chronik einer verpatzten Kür

Aus Warschau GABRIELE LESSER

Michael Jackson kam, sah und verliebte sich. „Ich würde gerne hier wohnen“, ließ er die Polen bereits 1996 wissen. „Ich würde gerne öfter kommen. Polen ist meiner Meinung nach voller Liebe.“ Seither ist Jackson aus Polen nicht mehr wegzudenken.

Die Ankündigung, in Warschau einen gigantischen Vergnügungspark eröffnen zu wollen, bescherte den Plattenläden des Landes einen Jackson-Boom. Und als der King of Pop ein Jahr später zum ersten Mal mit dem Helikopter über Warschau kreiste und sich vom Oberbürgermeister der Stadt die in Frage kommenden Baugrundstücke zeigen ließ, gab es für die Polen kein Halten mehr. So einen Märchenprinzen in schwarzer Uniform, goldenen Epauletten und großem Orden auf der Brust wollte auch das kleinste Dorf gerne haben. Glücklich schätzten sich die Gemeinderäte, die ein Schlösschen oder wenigstens eine verwunschene Schlossruine anzubieten hatten. Bei den Bevollmächtigten Jacksons in Warschau begannen sich die Offerten zu stapeln.

Königskinder, die nicht zueinander kommen

Jetzt endlich, nach vier Jahren des Suchens und Immer-wieder-neu-Verhandelns, sollten die Liebenden endlich zusammenkommen. Der Oberbürgermeister Warschaus kündigte den geplanten Besuch aus Amerika wie einen Staatsbesuch an, im teuersten Hotel der Stadt wurde ein Luxussuite gebucht, auf einer Pressekonferenz sollte Warschau zum künftigen Entertainment-Mekka des Landes gekürt werden. Da sagte Jackson seinen Besuch ab. Wieder einmal. Und wieder ganz kurzfristig.

Die Verhandlungen seien leider gescheitert, hieß es lapidar. Die Zeitungen brachten das Bild des Märchenprinzen mit der zum Solidarność-Gruß erhobenen Hand, dem für das Nationalgefühl der Polen so wichtigen Victory-Zeichen, und die Absage fast schon wie eine Trauermeldung.

Die Frage nach dem Warum blieb in geheimnisvollem Dunkel. Ist der Großunternehmer, mit dem die Bevollmächtigten Jacksons über den Freizeitpark verhandelt hatten, tatsächlich der Türke Sabri Bekdas, der vor noch nicht allzu langer Zeit das neunstöckige Reform Plaza in Warschau hochgezogen hat? Waren die Bevollmächtigten tatsächlich bevollmächtigt? Und wer hat eigentlich diesmal im Namen Jacksons verhandelt? Die in Warschau lebenden Amerikaner Jacques und Jolanta Tourel, oder war es Jacksons Anwalt Amnon Siboleth?

Niemand will einen Kommentar abgeben, Klarheit in die geheimnisumwitterten Verhandlungen bringen, die sich nun schon vier Jahre lang hinziehen. Doch richtig verärgert scheint nur der Oberbürgermeister Warschaus zu sein. „Ich habe mit Jackson telefoniert“, gab Pawel Piskorski vor Journalisten bekannt. „Jackson soll das nächste Mal seine Anreise erst dann ankündigen, wenn seine Investition tatsächlich vor dem Abschluss steht. Wir können nicht ständig seine Ankunft ankündigen, um sie dann wieder abzusagen.“

Im Spiel sind 500 Millionen Dollar. Die zumindest hat Jackson in einer so genannten Investitions-Absichtserklärung für den Freizeitpark zugesagt. Hinzu kommen weitere Millionen für ein Jackson-Museum in Warschau und eine für den Popstar angemessene Residenz in Polen. In der Mitte-Rechts-Regierung Jerzy Buzeks scheint es allerdings eine einflussreiche Gruppe zu geben, die eine Amerikanisierung der Kinder durch das Disneyland befürchtet und die Bemühungen der Hauptstadt um den Großinvestor systematisch hintertreibt.

Kein Disneyland in Bemowo (und auch nicht anderswo)

So scheiterte das teuerste Bauvorhaben in der Geschichte Warschaus zunächst am Verteidigungs- und Innenminister. Das in Aussicht genommene Baugrundstück war der wenig genutzte Militärflughafen in Bemowo. Zwar gab es keine Einwände gegen eine zivile Nutzung des Flughafens, aber für einen amerikanischen Vergnügungspark hatten die Verantwortlichen nicht mal ein Lächeln übrig. Eilig brachten sie gegen Jackson ein Krankenhaus, Mehrfamilienhäuser und eine Schnellstraße ins Gespräch.

Gut anderthalb Jahre später hatten Jacksons Bevollmächtigte ein neues Gelände ausfindig gemacht, diesmal in direkter Nachbarschaft des historischen Schlosses Wilanów. Allerdings ist hier in den letzten Jahren ein Villenviertel entstanden, in dem sich die Hautevolee des Landes niedergelassen hat. Die Vorstellung, demnächst in direkter Nachbarschaft mit einem Freizeitpark, Fast-Food-Restaurants und kreischenden Kindern wohnen zu müssen, amüsierte diese Herrschaften wenig. Nach einigen Telefonaten war die Idee vom Tisch.

Auch das nächste Projekt verlief im wahrsten Sinne des Wortes im Sande, ohne dass die Öffentlichkeit je erfuhr, warum: Das Ufergelände der Weichsel zieht sich kilometerlang unbebaut hin.

Auf den ersten Blick erscheint diese Lösung ideal. Doch aus welchem Grund auch immer verfiel Jacques Tourel, der Bevollmächtigte Jacksons, auf das Reform Plaza des türkischen Großunternehmers Sabri Bekdas. Ob Jacksons Freizeitpark sich nun aber auf vier Etagen dieses Hochhauses breit machen sollte oder ob Bekdas und Jackson gemeinsam ein „über 200.000 Quadratmeter großes Vergnügungs- und Handelszentrum“ bauen wollten, wie es ebenfalls in der Presse hieß, offenbarte weder Tourel, Bekdas oder der für Investitionen zuständige Beamte in der Warschauer Stadtverwaltung.

Ernüchtert beginnen sich die Polen zu fragen, warum eigentlich für so eine große Investition noch immer kein Finanzplan vorliegt – und auch keine Gesellschaft entstanden ist, die die Investition tatkräftig vorantreiben würde. Bekannt hingegen ist inzwischen, dass Jackson nicht nur die Polen liebt und ganz wundervoll findet, sondern auch die Litauer, die Mexikaner, die Kenianer und viele andere auch. Allen hat er einen Freizeitpark versprochen. Und bislang ist nirgends einer entstanden. Dafür sind in all diesen Ländern die Verkaufszahlen für Jackson-Platten nach oben geschnellt.

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