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Sellafield vor Aus

Wieder Sabotage: Die Probleme in der britischen Atomanlage lassen sich immer weniger deckeln

LONDON/BERLIN afp/taz ■ Auf die britische Atomanlage Sellafield haben Unbekannte offenbar zum zweiten Mal innerhalb eines halben Jahres einen Sabotageakt verübt. Dabei wurden Kabel an Robotern durchtrennt, mit denen die Anlage ferngesteuert gewartet wird. Im September waren in zwei MOX-Brennelementen Schrauben gefunden worden, die nach Angaben der Werksleitung „nicht aus Versehen“ dorthin gekommen sein konnten.

Eine Sprecherin der Betreibergesellschaft British Nuclear Fuels (BNFL) erklärte, die neue Störung habe „die Sicherheit nicht gefährdet“. Die Leitung schaltete aber die Atomsicherheitsbehörde ein. Man nehme das Problem sehr ernst und werde „geeignete Maßnahmen ergreifen“, falls sich herausstelle, dass die Kabel absichtlich durchtrennt wurden.

Die britischen Gewerkschaften, die damit rechnen müssen, dass das Werk wegen zunehmender Sicherheitsbedenken wichtiger Kunden bald geschlossen wird, kündigten gestern an, parallel zur Polizei zu ermitteln. Die sechs Organisationen, die die 10.000 Arbeiter von Sellafield vertreten, forderten ihre Mitglieder auf, den mutmaßlichen Saboteur anzuzeigen. Es sei „vollkommen unakzeptabel, dass ein Arbeiter die Sicherheit seiner Kollegen, der Gesellschaft oder der Fabrik in Gefahr bringt“, sagte Gewerkschaftssprecher Jack Dromey in der BBC. Der Verantwortliche müsse angezeigt und entlassen werden.

Die in den 50er-Jahren eröffnete Anlage von Sellafield ist bei Umweltexperten seit Jahren immer wieder in heftigste Kritik geraten. Weil sie aber die meisten japanischen Devisen ins Land brachte und als wichtiger Arbeitgeber im Nordwesten gilt, ließen die Behörden sie weitgehend in Ruhe. Erst seit wenigen Monaten eskalieren die Probleme. Fehler sowohl in der Produktion als auch im Management lassen sich nicht länger deckeln.

Im Februar kam die britische Atomaufsicht nicht mehr um eine Rüge für BNFL herum, nachdem aufgefallen war, dass Arbeiter Sicherheitsberichte für Mischoxidbrennmaterial, so genannte MOX-Brennstäbe seit Jahren manipuliert hatten. Sie hatten das Material nicht wie vorgeschrieben einzeln vermessen, sondern die Dokumente anhand von Computerkopien alter Qualitätskontrollen gefälscht.

Die Sicherheitsmängel haben dazu geführt, dass die japanischen Aufträge storniert wurden. Die japanische Regierung besteht darauf, dass die mit falschen Papieren gelieferten MOX-Brennstäbe erst zurückgenommen werden müssen, bis über neue Lieferungen nachgedacht werden könnte. Wie der Guardian berichtet, stellt das die britische Regierung vor ein Problem: Für den 24.000-Meilen-Transport sei eine Eskorte von zwei vollbewaffneten Kriegsschiffen notwendig – eine teure und gefährliche Angelegenheit, vor allem angesichts der zu erwartenden Proteste.

Auch die deutschen Atomkraftwerksbetreiber, der zweitgrößte Kunde für Sellafield, und die Schweiz haben vorläufig alle Lieferungen abgesagt. Seit Februar ist das Atomkraftwerk Unterweser vom Netz, weil es bei zwei über die Siemens-Tochter KWU gelieferte Brennelemente aus Sellafield Manipulationen an den Dokumenten gegeben hatte. bw

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