Saufen, aber nicht immer und überall

■ Das Aktionsbündnis Alkohol will vor allem die „Punktnüchternheit“ fördern

Zunächst die gute Nachricht: Das von Gesundheitssenatorin Hilde Adolf (SPD) ins Rollen gebrachte Bremer Aktionsbündnis „Alkohol – Verantwortung setzt die Grenze“ wird kein Zeitalter der Prohibition heraufbeschwören: Es darf weiter gesoffen werden, weil Alkohol als Genussmittel „in unserer Kultur eine gewisse Rolle spielt“, sagte Adolf am Montagabend im Festsaal des Rathauses vor ungefähr 100 VertreterInnen von Wohlfahrtsorganisationen, Verkehrsverbänden, der Politik, Forschungseinrichtungen, Krankenhäuser und Bierindustrie. Jetzt die schlechte Nachricht: Wir sollen „punktnüchtern“ werden.

„Punktnüchternheit“ ist neben einer generellen Aufklärung über Alkoholmissbrauch das Hauptanliegen des Aktionsbündnisses und bedeutet: Nüchternheit in bestimmten Situationen, Lebensräumen und bei bestimmten Personengruppen. Wie dieser zeitlich und räumlich begrenzte Trockenzustand erreicht werden kann, sollte auf der Gründungsveranstaltung am Montag von den TeilnehmerInnen diskutiert werden. Die überboten sich aber nicht gerade an Einfallsreichtum.

Verstärkte „Don–t drink and drive“-Kampagnen, erhobene Zeigefinger von Gynäkologen und Kinderärzten gegenüber trinkenden Schwangeren und Müttern sowie eine weitere Flut von „Man-kann-auch-ohne-Alkohol-Spass-haben“-Comics und Broschüren für Kinder und Jugendliche wurden vorgeschlagen. Auch am Arbeitsplatz, in der Schule und im Krankenhaus sollten Trinkexzesse vermieden werden, hieß es. Nichts also, was nicht auch schon vorher bekannt war. Neu dabei: Medikamente sollen möglichst ohne Alkohol zusammengerührt werden.

Betont wurde auf der Veranstaltung weniger „Aktion“ als „Bündnis“. Alle wollen auf jeden Fall mit allen kooperieren, verkündeten sie: zum Beispiel Schulen, RichterInnen, KinderschützerInnen, Landesfahrlehrerverband und Behörden. Wie die Kooperation genau aussehen soll, wurde nicht geklärt. Auch der heimische Abfüller Beck & Co. ist nach Auskunft seiner Sprecherin „hochinteressiert, steht voll hinter der Aktion und tritt immer für einen genussvollen Umgang mit Alkohol ein“. Der Caritasverband forderte die Brauerei daraufhin auf, die Aktion finanziell zu unterstützen, die sich laut Auskunft der Pressesprecherin Ulrike Grünrock-Kern in diesem Rahmen nicht dazu äußern mochte. Ebenfalls abgelehnt wurde der Vorschlag, Bier zu stiften, damit der ADAC alle Bremer SchülerInnen wie bei der Aktion „Voll und Abgefahren“ alkoholisiert auf Übungsplätzen fahren lassen kann.

Während der Diskussion wurde Hilflosigkeit spürbar, wie mit dem „Kulturgut“ Alkohol umzugehen ist – immerhin ist er auch von Senatsfeiern nicht wegzudenken. Da erscheint es einfacher, „punktuell“ Nüchternheit zu fördern mit angenehmen Folgen für Staat und Wirtschaft: weniger Unfalltote, höhere Leistungsfähigkeit in Betrieben, gesunde Babys und leere Krankenhäuser. Alkoholmissbrauch ist eine Kostenfrage für den Staat: „Jede(r) vierte PatientIn im Krankenhaus wird wegen der Folgen von Alkoholmissbrauch behandelt und bleibt überdurchschnittlich lange in stationärer Behandlung“, erklärte der Leiter des Bremer Gesundheitsamtes, Dr. Jochen Zenker.

Die Frage, warum sich eine ganze Gesellschaft regelmäßig abschädelt, wurde bei dem Gründungstreffen nicht angegangen. Es blieb bei unkonkreten Vorschlägen und allgemeinen Kooperationswünschen. Eiken Bruhn