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Deutsche TV-Schauspieler dürfen im „Tatort: Kalte Herzen“ US-Kinostars spielen. Nur für die weite Reise war kein Geld da (So, 2. 4., 20.15 ARD)

Vor fünf Jahren hatte er seinen ersten großen Fernsehauftritt in einer „Tatort“-Folge, heute ist Tom Soengen unser Mann in Hollywood. Emmerich, Ford, Sutherland – alles Leute, mit denen der Schauspieler aus Germany assoziiert wird.

Zurzeit versucht ihm seine Managerin die zweite Hauptrolle im neuen Film mit Al Pacino zu besorgen. Das ist natürlich alles viel zu schön, um wahr zu sein: Wenn deutsche Darsteller mal einen Auftritt in einer amerikanischen Produktion haben, müssen sie an der Studiopforte immer noch den Ausweis vorzeigen.

In Hollywood kennt die niemand. Das ahnt wohl auch Thomas Bohn, der den fiktiven Star Soengen für seine „Tatort“-Folge mit reichlich Augenzwinkern in Szene gesetzt hat. So einen wie Soengen, der vor seinem Privatjet den Fanmassen zuwinkt und den Max Tidorf als überkandidelten Operetten-Beau spielt, den gibt’s gar nicht.

Aber um die Wirklichkeit geht es ja auch nur am Rande: Außer von Mord handelt „Tatort: Kalte Herzen“ von Illusionen – und davon, wie man sie erzeugt. Da ist es eine sinnträchtige Begebenheit, dass der Krimi zwar über weite Strecken in Los Angeles spielt, die Angestellten des Südwestrundfunks ihre beschauliche Heimat aber gar nicht verlassen mussten. Schließlich durfte das Budget von rund zwei Millionen Mark, das jeder „Tatort“-Produktion zur Verfügung steht, nicht überschritten werden. Reisen war da nicht drin. Deshalb wurde Hollywood einfach in Ludwigshafen und Umgebung nachgebaut.

So glückten Regisseur Bohn, der unlängst mit seinem desaströsen „Straight Shooter“ deutsches Kino im US-Format machen wollte, ein paar Momente von berückender Künstlichkeit. Während des Finales klettert die Kommissarin auf einem nachgebauten Hollywood-Schriftzug rum, während im Hintergrund das digital ins Bild kopierte Lichtermeer von Los Angeles leuchtet. Da erinnert „Kalte Herzen“ durch artifizielle Anmut an Francis Ford Coppolas Licht-Oper „Einer mit Herz“.

Die Bildgestaltung also ist außergewöhnlich – die Botschaft dafür umso einfältiger. Sie lautet: Der Starbetrieb ist verlogen. Der Mord, der hier untersucht wird, ist nämlich nur deshalb geschehen, weil die Homosexualität des Frauenschwarms Soengen verschleiert werden sollte. So verkommt die ästhetisch durchaus interessante Studie über die Mechanismen der Illusionierung zum moralischen Lehrstück.

Aber vielleicht ist „Kalte Herzen“ ja auch nur ein Befreiungsschlag in eigener Sache: Immerhin darf Kommissarin Odenthal nach zehn Jahren eher kargen Privatlebens endlich mal eine Frau bei sich übernachten lassen. Die Anspielung auf die sexuellen Präferenzen von Odenthal-Darstellerin Ulrike Folkerts, die sich letztes Jahr in einer groß angelegten Kampagne outete, ist durchaus subtil. Ebenso wie die Verweise auf andere Thriller: Gerade noch erwähnte Soengens Managerin (Gilla von Weitershausen) den Regisseur Brian De Palma, da wird der Zuschauer schon Zeuge eines zweiten Verbrechens. Eine vermummte Gestalt sticht auf das Opfer ein – und erinnert so an die Mordsequenzen in De Palmas „Dressed To Kill“. Doch während sich dort die in Frauenkleider gehüllte Mördergestalt als Seelenklempner Michael Caine entpuppt, verbirgt sich hier hinter dem maskulin auftretenden Killer im Regenmantel die krankhaft ehrgeizige Managerin.

Ein seltsamer „Tatort“: so sophisticated und doch ein bisschen simpel. CHRISTIAN BUSS