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Mulders Martyrium

Heute vor drei Jahren erlitt Youri Mulder, Stürmer von Schalke 04, nach üblem Foul einen Kreuzbandriss, und es begann ein Leidensweg, dessen Ende noch immer nicht abzusehen ist

aus GelsenkirchenMANFRED KÜHNAPPEL

Youri hat keine Lust mehr. Einen weißen Helm hat er in der Hand und tapst mit den Kollegen durch die Baustelle „auf Schalke“. Im Sommer 2001 soll die neue Arena fertig sein. Ob die Fans den Holländer hier wieder feiern werden? „Wissen Sie“, sagt Youri Mulder, „alle wollen eine Geschichte über mich schreiben. Darüber, wie es mir im Moment geht, was das Knie macht und wann ich wieder zurück komme.“ Viel lieber, meint der Holländer dann mit traurigem Blick, viel lieber sei ihm eine Geschichte, wenn er wieder richtig Fußball spielt. Darauf wartet der FC Schalke 04 schon sehr, sehr lange.

Die Kameras surren, und die Profis mit den weißen Helmen lassen sich vom gelernten Straßen- und Wasserbau-Ingenieur Johan de Kock den Prachtbau für 358 Millionen Mark erklären. Die Steilwände des künftigen Tempels sind mittlerweile hoch gezogen, über 20.000 Dauerkarten verkauft. Den offiziellen „Besuchstermin“ der Kicker auf der Baustelle hat Schalke 04 für die Medien inszeniert. Ex-Manndecker de Kock, seit seiner Knieverletzung auf der Arena beschäftigt, erklärt die Baufortschritte. Alle sind da.

Youri Mulder steht dabei und wirkt nachdenklich. Er ist an seinem Geburtstag extra her gekommen. 31 Jahre wird er und sein letzter Kurzeinsatz in der Bundesliga ist sieben Monate her. Beim 1:3 gegen den HSV verschoss er einen Elfmeter. Wieder einmal hoffte er am 27. August für eine halbe Stunde auf ein dauerhaftes Comeback. Vergebens – die Leidensgeschichte des Youri Mulder war nicht zu Ende.

Fünfmal wurde er am linken Knie operiert, seit der 5. April 1997 das Leben des stets gut gelaunten „Sonnyboys“, wie ihn die Medien nannten, veränderte. Der Karlsruher Burkhard Reich rammte Mulder auf den Tag genau vor drei Jahren um: Kreuzbandriss. Es war die 13. Minute im Wildparkstadion, und Manager Rudi Assauer wird hinterher fuchsteufelswild auf Reich schimpfen: „Er hat ihn voll am Standbein erwischt und sich mit dem Körper reingedreht, obwohl der Ball weg war. Das war eine Sauerei.“

Noch am selben Abend wird Mulder von Dr. Pässler in Heidelberg operiert, und ein drei Jahre währender, dornenreicher Weg nimmt seinen Anfang. Mulder verpasst den glorreichen Abschluss im Europapokal: Den Uefa-Cup-Sieg 1997. Den größten Triumph der Vereinsgeschichte verfolgt er in Mailand auf der Tribüne. „Spielen ist schön, zugucken schlimm“, sagt er in jenen Tagen.

Nach sechs Monaten kehrte er erstmals zurück – zu früh. Gewebeflüssigkeit trat aus. Das Knie wurde wieder dick. Immer und immer wieder, unterbrochen von Operationen, versuchte es der Niederländer, der sich sogar Hoffnungen auf die WM 1998 gemacht hatte. Jeder neue Anlauf scheiterte. Bis jetzt kam der blonde Publikumsliebling nie wieder richtig auf die Beine.

Während Ebbe Sand und Emile Mpenza im Parkstadion als neues Sturmduo umjubelt werden, unternimmt Mulder in diesen Tagen seinen womöglich letzten Comeback-Versuch. Die sechste Operation (Entfernung eines Außenmeniskus-Restes) hat Mulder nach Rücksprache mit den Ärzten abgelehnt, weil nicht klar ist, ob die Schmerzen damit wirklich aufhören.

Stattdessen quält sich Youri mehrmals wöchentlich im Kraftraum, um die Muskeln rund um das linke Knie zu stärken. Etliche Profis versuchten es auf diese Weise. Die Schufterei ist ebenso zermürbend wie das ständige Schweben zwischen Hoffen und Bangen. Die Presse will Mulder lieber nicht dabei haben, doch die Hoffnung gibt er nicht auf: „Natürlich glaube ich fest daran, dass es wieder klappt.“ Sein Mannschaftsarzt Dr. Thorsten Rareck macht ihm Mut: Es habe schon Spieler mit ähnlichen oder schlimmeren Verletzungen gegeben, und die spielen auch wieder, sagt er.

Johan de Kock nicht. Der 35-jährige Niederländer, dessen Kopfballstärke aus den Uefa-Cup-Glanzzeiten die Schalker schmerzlich vermissen, verdrehte sich das durch einen Knorpelschaden vorgeschädigte Knie 1999 bei einem Freundschaftsspiel in Arnsberg. Seitdem ging nichts mehr. Jetzt arbeitet der Verteidiger für die holländische Baufirma „HBM“ an der neuen Schalker Arena und leitet den Rundgang der Profis durch den imposanten Rohbau. „Wir werden es schon noch schaffen, hier zu spielen“, sagt Kapitän Olaf Thon und lacht, während die Jungs mit den weißen Helmen eine wacklige Stahlrohr-Treppe erklimmen. Youri Mulder hat es nicht gehört. Er ist schon oben auf der Tribüne.

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