: Ein nationales Hügelbeet
betr.: „Kampf der Bevölkerung“, taz vom 1. 4. 00
Hans Haackes „Bevölkerungsprojekt“ hat den Lärm, den es verursacht, nicht verdient. 1. ist es in der Tat „Biokitsch“, wenn deutsche Erde aus allen Gauen zusammengetragen wird. Auf Norderney steht übrigens ein Denkmal aus Kaiser Wilhelms Zeiten, in dessen Sockel Gestein aus deutschen Landen eingelassen ist.
2. begibt sich Haacke mit seinem plumpen Entwurf unter sein Niveau. Er ist so komplex wie ein Bismarckturm. Ein Etikett mit Füllmasse, zusammengebastelt mit zwei, drei Griffen in die Klischeekiste. Dummerweise übersah der grandiose Provokateur, dass die Konnotation seiner Erde sich nicht besonders gut dafür eignet, eine demokratische Gesellschaft zu symbolisieren: Heimattümelei, Heldenfriedhöfe und Kleingarten sind ihre inneren Werte. Hans-Ernst Mittig hat vor Jahren bereits beschrieben, welche Tradition der Blut-und-Boden-Kult selbst in der BRD hat.
3. Ein Gutes hat die Debatte um „Die Bevölkerung“: Sie zeigt, wie innig in konservativen Kreisen noch das vermuffte Wort „Volk“ geliebt wird, das schon längst von der „Bevölkerung“ ersetzt wurde. Haacke beschreibt mit der Wortwahl nur den Status quo. Nichts daran ist sonderlich avanciert. Sollte sein Werk realisiert werden, wird bald der kalauernde Vergleich mit der Giebelinschrift am Reichstagsgebäude seine provokatorische Kraft eingebüßt haben. Bleiben wird ein nationales Hügelbeet, bewachsen von einheimischen Wildkräutern.
CHRISTOPH DANELZIK-BRÜGGEMANN, Dortmund
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