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„Bankrott, aber gefährlich“

Sektenbeauftragte der Hamburger Innenbehörde warnt erneut vor Scientology. Heute Prozess vor Verwaltungsgericht  ■ Von Peter Müller

Die Hamburger Innenbehörde warnt vor einer neuen Offensive der Scientology-Organisation in der Hansestadt. Nach Angaben der Leiterin der „Arbeitsgruppe Scientology“ (AGS), Ursula Caberta, verzeichnen ihre MitarbeiterInnen sowie der Verfassungsschutz gerade in diesen Wochen wieder verstärkte Aktivitäten.

So eröffnet die Organisation heute am Gänsemarkt eine Ausstellung „Was ist Scientolgy?“. Zeitgleich streitet sie vor dem Verwaltungsgericht mit der AGS über die Zulässigkeit der sogenannten „Technologie-Erklärung“. Diese soll Unternehmern die Möglichkeit geben, Geschäftspartnern zu garantieren, dass ihr Betrieb nicht nach der „Technologie von L. Ron Hubbard arbeitet“ – dem verstorbenen Ex-Scientology-Ideologen. Caberta: „Das finden einige Scientologen nicht gut.“

Obwohl der Einfluss der Organisation in Hamburg geschwunden sei, dürfe diese nicht unterschätzt werden. „Der Gewerbebetrieb Scientology ist praktisch bankrott“, so die Sektenbeauftragte. Nur durch massive finanzielle Hilfe aus den USA habe sich Scientology im vorigen Jahr für 20 Millionen Mark eine neue Zentrale an der Domstraße in der City kaufen können.

Zur Widerlegung der gängigen Meinung, dass Scientology in den USA gut angesehen sei, hat sich die AGS-Chefin Bob Minton und Stacy Brooks an die Elbe geholt. Minton hat sich seit 1995 dem Kampf gegen Scientology verschrieben: „Das ist keine religiöse, sondern eine totalitäre politische Bewegung“, so Minton. Lediglich „Marionetten aus der Hollywood-Szene“ hätten ihr zu Publicity verholfen. Zur Zeit unterstützt er die Angehörigen der Aussteigerin Lisa McPherson in einem Prozess, der die Umstände ihres mysteriösen Todes klären soll.

Stacy Brooks gehörte bis Anfang der 90er Jahre zur Führungsebene des Scientology-Geheimdienstes „Office of Special Affairs“ (OSA). Dann fiel sie bei dessen Chef David Miscavige in Ungnade. Zuvor war sie für die Steuerkampagne in der Zeitschrift Freedom verantwortlich. Mit dieser gelang es der „Scientology-Church“ in den USA, Steuerbefreiung und die Anerkennung als Religion durchzusetzen. „Je weiter ich nach oben in der Hierachie kam, desto mehr wurde mir klar, wie verdorben und korrupt alles ist“, erinnert sich Brooks.

Wegen Abweichlertums wurde Brooks eines Nachts verschleppt und neun Monate in einem Gefangenenlager in Los Angeles eingesperrt. Nur für Arbeiten und Bestrafungsaktionen hätten sie und Mitgefangene den Komplex unter Bewachung verlassen dürfen: „Manchmal mussten wir in einem Park zwölf Stunden um einen Pfahl rennen“, berichtet Brooks, „damit wir durch den Erschöpfungszustand zu Sinnen kommen.“

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