Den Deutschen das Unangenehmste

konkret diskutiert heute, wie Auschwitz benutzt wird, um es zu vergessen  ■ Von Christiane Müller-Lobeck

Kaum ein linkes Publikationsorgan hat so ausdauernd die hiesigen Kontinuitäten des Nationalsozialismus ins Visier genommen wie die Zeitschrift konkret, made in Hamburg. Die Methode war, ist und wird sein: Mediawatch, und zwar gründlich. Wem es also zu mühselig ist, sich, etwa bei der Beobachtung der jüngsten Entwicklungen zum Zwangsarbeiterfonds der deutschen Wirtschaft, über Wochen durch mindestens sieben deutsche Tages- und Wochenzeitungen zu wühlen, der wird immer noch zu ihr greifen. Auch wenn selbst die druckfrischeste Ausgabe immer etwas verstaubt wirkt.

Anfang diesen Jahres hat Wolfgang Schneider im konkret-Verlag unter dem Titel Wir kneten ein KZ Aufsätze herausgebracht, in denen sich Autoren der Zeitschrift mit dem jüngsten Boom von Debatten zur NS-Vergangenheit beschäftigen. Hermann L. Gremliza bringt in seinem Vorwort die von allen dort Versammelten geteilte Prämisse auf den Punkt: „Wenn die Deutschen Auschwitz nicht erfunden hätten, hätten sie Auschwitz erfinden müssen“. Weniger spitzfindig formuliert: Der ganze Wirbel im Deutschland der letzten Jahre um den Umgang mit der NS-Vergangenheit habe nur einen Zweck verfolgt: Dass sich nämlich die Deutschen weltweit als die größten Experten in Sachen Bewältigung des Holocaust erweisen.

Das diene der Stärkung des Standorts Deutschland und vor allem der Legitimierung kriegerischer Aktionen, namentlich der jüngsten in Jugoslawien. Diese Sätze deklinieren dann Günther Jakob, Joachim Rohloff, Rayk Wieland, Rolf Surmann, Gerhard Scheit und Heiner Möller entlang der Themen Wehrmachtsausstellung, Holocaust-Denkmal, Zwangsarbeiterentschädigung, Goldhagens „Hitlers willige Vollstrecker“ und der Friedenspreisrede Walsers.

In der Tat war ja erstaunlich, wie der Außenministeriumsfrischling Joschka Fischer vor einem Jahr im Kosovo ein zweites Auschwitz verhindern wollte. Da war es naheliegend, eine Inspiration durch die genannten Debatten zu vermuten. Allerdings erwähnt in dem Band niemand, dass 1991 in der konkret selbst „im Namen von Auschwitz“ der Krieg der NATO gegen den Irak befürwortet wurde.

Anlass war die Drohung Saddam Husseins, Israel mit Giftgasbomben anzugreifen. Die publizistische Intervention auf diesen Schock hin richtete sich allerdings nicht gegen das westliche Militärbündnis, das durch seine Zuspitzung des Konfliktes die irakische Drohung geradezu heraufbeschworen hatte. Statt-dessen wurde von Wolfgang Pohrt, Gremliza und anderen die deutsche Friedensbewegung, sozusagen toto pro pars, mit dem Antisemitismusvorwurf belegt. Sie begreife die Notwendigkeit des militärischen Schutzes für den Staat Israel nicht, dessen Existenz eine direkte Folge der Judenvernichtung sei.

Auschwitz wurde also letztlich im Munde geführt, um das wiedervereinigte Deutschland in seiner – übrigens damals längst von der Regierung erklärten – Absicht zu stärken, durch eine Beteiligung am II. Golfkrieg endlich historische Verantwortung zu übernehmen. Angesichts der in Wir kneten ein KZ versammelten Beiträge zur Funktionalisierung von Auschwitz für deutsche Großmachtpläne könnte man heute fast meinen, hier hätte eine späte Einsicht stattgefunden. Wäre nicht erst letztes Jahr, zur Zeit des Kriegs, eine Diskussion in der konkret zu verfolgen gewesen, die da wenig Hoffnung macht.

Dort erwidert Gremliza auf Fragen Thomas Ebermanns nach einem Kurswechsel, seine Position im 1991er-Krieg sei nach wie vor richtig, da sie „den Deutschen die unangenehmste“ gewesen sei. Das allein ist ja schon falsch. Jutta Ditfurth konterte damals zusätzlich, „maximal unangenehm“ sei nun wirklich kein linkes Kriterium. Argumentationsnot hin oder her – Gremliza beharrte trotzdem. Heute abend geben sich einige Autoren im Kölibri die Ehre. Nicht aufs Podium dürfen die Kritiker Ebermann oder Ditfurth.

heute, Kölibri, Hein-Köllisch-Platz 12, 20 Uhr