: Eintrachts Werk und Preetzens Beitrag
Warum es Hertha BSC Berlin versäumt, gegen eine erschreckend harmlose Eintracht aus Frankfurt mehr als nur ein Siegtor zu erzielen. Und warum die Frankfurter noch immer glauben, nicht absteigen zu müssen
Von besonderem Interesse ist der Abgang. Wie tun es die Kicker? Vor allem: Wie tun sie es nach Niederlagen? Die Spieler von Hertha BSC Berlin bevorzugen in einem solchen Fall des Dreipunktverlustes etwas rüde in den Kabinengang zu marschieren. Da werden schon mal Ellenbogen ausgefahren oder besonders launige Kommentare in die Mikros geblafft. Das alles soll verdeutlichen: Verdammt, wir haben verloren, wir können es aber besser, und deshalb schieben wir nun tierischen Frust.
Anders die Mannen von der Frankfurter Eintracht. Sie schritten in die Katakomben des Olympiastadions, als hätten sie auf dem Rasen in Charlottenburg ihre Shakren neu zentriert. Somnambule, traumwandlerische, sanftmütige Menschen glitten an den Beobachtern vorbei. Kein noch so tumber Fingerzeig auf ernsthafte innere Zerrüttung erhob sich. Fügten sich die Hessen in das Schicksal ihrer Niederlage oder sahen sie schon das Licht? Das Licht der Erleuchtung, das jene ereilt, die nicht absteigen und also bei aussichtlosen Spielen Kräfte sparen, um sie bei wichtigen Matchs einzubringen?
Felix Magath jedenfalls, Coach der Frankfurter, wurde immer leiser, als er den Auftritt seiner Truppe deuten musste. Was Mittelfeldmann Horst Heldt zu dem Statement veranlasste: „Man muss nicht laut sein, um viel zu sagen.“ Was trotz geringer Lautstärke nach außen drang, war des Trainers Zweifel am Willen der Seinen. „Die Bereitschaft und Einstellung sind einfach nicht da.“ Das habe zur Folge, dass sein Team „verkrampft“ und „Fehler macht – leichte Fehler“.
Die geschahen sonder Zahl. Hertha zeigte sich richtiggehend überrascht vom Überangebot an Tormöglichkeiten. Normalerweise rackern die Berliner recht lange, bis sich eine Einschussmöglichkeit bietet. Am Samstagnachmittag vor 42.000 Zuschauern gingen die Berliner dann ziemlich fahrlässig damit um. 20:3 stand es am Ende nach Chancen. Nach Toren aber nur 1:0 durch einen Treffer aus der Nahdistanz von Michael Preetz in der 37. Minute. Wie Hertha Überzahlangriffe vertändelte und dabei den freien Mann – meist war es Marco Rehmer – mied, war ebenso konsequent wie destruktiv.
Durch Herthas mindere Konterfähigkeiten, wobei sich Preetz besonders hervortat, ging die Eintracht nicht unter, sondern lediglich mit einer knappen Niederlage und der Erkenntnis vom Platz, dass ihnen so viel Nachsicht wohl beim nächsten Gegner, Bremen kommt am Mittwoch zum Riederwald, nicht zuteil werden wird.
Dabei hat Magath bereits das Patentrezept für den erfolgreichen Abstiegskampf gefunden: „Wenn wir spielen, wie wir es können, sehen wir besser aus.“ Doch wenn sich seine Schützlinge mit Rechenspielen verlustierten, könne das Unterfangen Nichtabstieg nicht glücken. „Diese dämliche Tabellenrechnerei geht mir so auf den Keks, das bringt einen aus den Tritt, da verliert man jede Konzentration“, sagte er.
Aber lag es allein daran? „Nein“, befand Magath. „Mit 90 Prozent besteht man einfach gegen eine solche Mannschaft wie Hertha nicht.“ Magath war vom Spiel der Berliner derart angetan, dass er eine Kopie des Stils erwägt. „Hertha – ja, so muss man spielen, wenn man in der Bundesliga punkten will.“ Deren Trainer Jürgen Röber hat seine Spieler mit den Tugenden, die der Eintracht fehlen, bereits bestens geimpft: Röbers Vakzine sind Leidenschaft, Kampf und Biss. Auch beim Abgang schlagen sie an. Und auch nach einer Niederlage. MARKUS VÖLKER
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