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Strahlenschutz verschlimmbessert

betr.: „Strahlenschutz novelliert“, taz vom 4. 4. 00

Der Umweltminister benutzt die geplanten geringfügigen Verbesserungen, die sich im medizinischen Bereich niederschlagen werden, um zu vertuschen, dass der Schutz der Bevölkerung vor radioaktiver Strahlung aus der Nutzung der Atomkraft wesentlich verschlechtert wird.

Fakt ist, dass aufgrund der vorgesehenen Änderungen in großem Umfang radioaktive Stoffe vom Etikett radioaktiv befreit in die Umwelt gebracht werden dürfen. Bisher wurde verlangt, dass alle radioaktiven Abfälle endzulagern sind. Nun sollen die Atomfirmen einen Anspruch darauf erhalten, ihre niedrig strahlenden Abfälle wie konventionelle Abfälle wiederzuverwenden oder in Deponien und Müllverbrennungsanlagen beseitigen zu dürfen. Bisher wurde verlangt, dass alle radioaktiven Abfälle endzulagern sind. Nun sollen die Atomfirmen einen Anspruch darauf erhalten, ihre niedrig strahlenden Abfälle wie konventionelle Abfälle wiederzuverwenden oder in Deponien und Müllverbrennungsanlagen beseitigen zu dürfen. [...]

Der Sinn der Freigabe besteht darin, radioaktive Stoffe aus der atomrechtlichen Überwachung zu entlassen. Sind die strahlenden Abfälle erst mal zu „normalen“ Abfällen umdeklariert worden, ist ihr Weg in die Umwelt nicht mehr zu verfolgen und zu kontrollieren.

Es gibt also gar keine Möglichkeit festzustellen, ob die angebliche Grenze der Strahlungsbelastung überschritten wird. Langfristig wird daher über Freigaben der Verbringung uneingeschränkter Mengen radioaktiver Abfälle in menschliche Lebensbereiche Tür und Tor geöffnet werden.

Dass mit den Freigaben eine Abkehr vom gesetzlich vorgeschriebenen Endlagerkonzept stattfindet, wird verschleiert. Nach der Darstellung von Umweltminister Trittin geht es darum, mit den Vorschriften in der Strahlenschutzverordnung zur Freigabe eine bundeseinheitliche Regelung zu treffen. Er tut damit so, als ob es Freigaben für radioaktive Stoffe aus der Nutzung der Atomkraft schon immer gegeben habe. Dies ist jedoch nicht wahr. Vielmehr waren bisher die Atomfirmen verpflichtet, den gesamten niedrig strahlenden Atommüll endzulagern. Freigrenzen und aus ihnen abgeleitete Freigaben für Aktivitätskonzentrationen (Bequerel pro Gramm oder Liter) wurden bisher nur bei Abfällen angewendet, die nicht dem Atomgesetz unterliegen und nur in kleinen Mengen entstehen.

Dies ist der Grund, warum man als Voraussetzung für die Entlassung aus der atomrechtlichen Überwachung per Strahlenschutzverordnung das Atomgesetz ändern musste. Erst mit der Abstimmung im Bundestag am 25. Februar 2000 wurde die Freigabe und damit der Anspruch der Atomfirmen auf Entlassung ihrer niedrig strahlenden Abfälle aus der atomrechtlichen Überwachung verankert.

Auch die Behauptung, die Freigabewerte dürften nicht durch Verdünnung erreicht werden, entspricht nicht den Tatsachen. Die Strahlenschutzkommission geht in den Rechenmodellen zur Ermittlung der Freigabewerte von Vermischungspraktiken – also von Verdünnungen – aus, nachzulesen in den SSK-Empfehlungen vom 12. 2. 1998. TRAUTE KIRSCH, Beverungen

Wieder einmal soll das Arbeitsplatzargument helfen, irgendwelche „Schweinereien“ zu rechtfertigen. Diesmal sind es „beeinträchtigte Berufsmöglichkeiten“, die für Frauen entstehen würden.

So etwas rechtfertigt natürlich, dass Embryonen den Strahlungen ausgesetzt werden, die ihre Mütter im Arbeitsbereich von Kernkraftwerken erfahren.

Es ist ja ohnehin nur ein Bruchteil der Strahlendosis, der die Kinder nach der Geburt ausgesetzt sein werden, wenn diese Strahlenschutzverordnung wirklich so verabschiedet wird.

Menschen verachtende Politik eines grünen Ministers.

ULRIKE TRICK, Schermbeck

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