: Notrangieren bei der Bahn
Deutsche Bahn schichtet intern hunderte Millionen Mark in die Sanierung ihres Schienennetzes um. Auch Hauptstrecken sind marode. Privatfirmen sollen unrentable Strecken betreiben, Güterverkehrskunden selbst für ihre Gleise aufkommen
von KATHARINA KOUFEN
Um den Zustand vieler Bahntrassen ist es schlecht bestellt. Jahrzehntelang hat der Bund die Wartung seiner Eisenbahnstrecken vernachlässigt. Gelder, die man dringend für die Sanierung von Schienen, Holzbohlen oder Weichen gebraucht hätte, flossen stattdessen in Autobahnbaustellen.
Der Deutschen Bahn AG fehlen die Mittel, aus eigener Kraft den Karren aus dem Dreck zu ziehen. Nach Angaben von Mitarbeitern sind selbst Hauptstrecken wie die zwischen München und Salzburg so marode, dass man sie womöglich in wenigen Monaten hätte sperren müssen – wenn die Deutsche Bahn AG nicht die Notbremse ziehen würde.
Jetzt soll kurzfristig der Etat der Tochtergesellschaft DB Netz, die für die Instandhaltung des rund 40.000 Kilometer langen Schienennetzes zuständig ist, aufgestockt werden. Um die dazu nötigen Mittel aufzubringen, will der Bahn-Vorstand nach Informationen der Süddeutschen Zeitung mehrere hundert Millionen Mark im laufenden Haushalt umschichten.
Zu dieser Summe würde dann das Finanzministerium weiteres Kapital zuschießen. 1,3 Milliarden Mark, die das Ministerium in Form von zinslosen Darlehen oder Zuschüssen für die Bahnsanierung bereithält, könnten dort abgerufen werden, wenn die Bahn einen Eigenbeitrag von mehreren hundert Millionen Mark aufbringt. Das bestätigte ein Sprecher von Bahnchef Hartmut Mehdorn gestern gegenüber der taz.
Langfristig plant die Bahn eine „Mittelstandsoffensive“, um schwach ausgelastete Strecken zu erhalten und die Wartung der Schienenwege auf dem Land zu gewährleisten. Dazu gehören Strecken, auf denen die Kosten für die Wartung nur zu 40 bis 70 Prozent durch die Nutzungsgebühren gedeckt sind, die die DB Regio für den Personennahverkehr und die DB Cargo für den Güterverkehr der DB Netz zahlen. Das ist bei rund 2.000 Kilometern der Fall, hat die Bahn in einer Studie herausgefunden, in der sie 262 Nebenstrecken mit insgesamt fast 9.400 Kilometern Länge auf ihre Wirtschaftlichkeit getestet hat.
Laut Mehdorn sollen sich Kommunen und mittelständische private Betreiber zunächst an 37 regionalen Streckennetzen beteiligen: „Damit bringen wir die Bahn näher an die Kunden und senken gleichzeitig die Kosten.“ Vor Ort könne am besten überlegt werden, wie man bei wenig genutzten Verbindungen eine 100-prozentige Kostendeckung erreicht.
Bei 2.000 Kilometern Nebenstrecken liegt laut der DB-Studie der Deckungsgrad bei nicht einmal 40 Prozent. Zwar ist derzeit im Gespräch, allzu unrentablen Zugverkehr durch Busse zu ersetzen. Diskutiert wird auch, bei parallel betriebenen Bahn- und Busstrecken „eine von beiden zu streichen“, erläuterte der Bahnsprecher. Doch wenn auch das nicht die gewünschten Resultate bringe, müsse „derjenige, der diese Strecke trotz ihrer Unwirtschaftlichkeit weiter haben will, das ausgleichen“, sagte DB-Vorstand Peter Münchschwander der Süddeutschen Zeitung. So könnte die Deutsche Bahn die insgesamt 1.700 Kilometer Nebenstrecken, auf denen nur Güterzüge fahren, an die Firmen abgeben, die diese Strecken für ihren Transport brauchen.
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