: Tierschutzlobby im Bundestag
■ Weil sich der Bundestag mit dem Tierschutz befasst, macht Bremens Chef-Tierschützer Lobbyarbeit an der Reichstagsfront
Die Nerven liegen langsam blank. Seit Tagen ist Bremens oberster Tierschützer Wolfgang Apel mehr bei Politikern als bei Tieren im Einsatz. Denn damit der Bundestag diese Woche den Tierschutz als „Staatsziel“ in der Verfassung verankert, ist der Präsident des deutschen Tierschutzbundes erst mal in die Tiefen der Lobby-Arbeit abgestiegen.
Gerade noch tourte Apel auf dem CDU-Parteitag in Essen herum und pflegte den Kontakt zu seinen bisherigen Gegnern. Heute will er im Bundestag noch mal die Chance nutzen, CDUler auf Tierschutz-Kurs zu bringen. Dort hat Apel eine Informationsveranstaltung zum Thema für die Abgeordenten durchgesetzt. Denn die alles entscheidende Abstimmung naht: Heute oder am Freitag soll sich der Bundestag mit der Verfassungsänderung auseinandersetzten.
Dabei dreht sich der ganze Aufwand um den Tierschutz nur um drei schlichte Worte: „... und die Tiere“ wollen SPD und Grüne in den Artikel 20a des Grundgesetzes eingefügt haben. Damit schütze der Staat „die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere“. Tierversuche wären dann nicht mehr so einfach machbar, hoffen die Tierschutzverbände.
1994,ist eine ähnliche Gesetztes-intiative schon mal am Widerstand der Konservativen gescheitert. Die CDU fürchtete Nachteile für den Forschungs- und Industriestandort Deutschland, wenn Tierschutz zum Staatsziel erklärt würde.
Diesmal stehen die Chancen für eine Verfassungsänderung wesentlich besser, meint Apel: „Ich brauche nur 25 CDU-Stimmen.“ Dann wäre die notwendige 2/3 Mehrheit erreicht, nachdem sich die Fraktionen von PDS, Grünen, SPD und FDP einhellig für den Tierschutz ausgesprochen hatten.
Allerdings müsste die CDU ihre Abgeordneten vom Fraktionszwang entbinden. „Ich hoffe, dass mit Frau Merkel als neue Parteichefin die Abgeordneten nach ihrem Gewissen entscheiden können.“ Dann wüsste Apel in den Reihen der CDU sogar Ex-Bundestagspräsidenten Rita Süssmuth und NRW-Spitzenkandidat Jürgen Rüttgers hinter seinem Anliegen. Selbst Hardliner Edmund Stoiber (CSU) soll für eine Änderung sein. Nur beim Bremer CDU-Bundestagsabgeordneten Bernd Neumann ist Apel bislang auf Granit gestoßen. „Aber vielleicht lässt sich noch was machen bis zur Abstimmung“, hofft er.
Das scheint momentan allerdings fraglich: Gestern tagte die CDU-Fraktion. „Ich sehe nicht, dass die 25 benötigten Stimmen zu Stande kommen“, erklärte dazu Bernd Neumann auf taz-Nachfrage. Nur aus Bayern hätte es eine einzige Stimme für das Gesetz gegeben. Nach Auskunft von Neumann habe sich der Fraktionschef außerdem für einen Fraktionszwang entschieden: Eine Gewissensfrage ließe sich nicht erkennen.
Fast einmütige Meinung in der CDU-Fraktion: „Wir wollen Tiere ja nicht weniger schützen.“ Ein neues Gesetz könnte allerdings eine Folge von Klagen nach sich ziehen. Und man würde sich weiter von den EU-Regeln entfernen.
Tatsächlich würde nach einer Studie des Bremer Tierschutzvereins und der Akademie für Tierschutz bei Münschen so ein neues Gesetz einige Tierversuche verhindern: 80 bis 90 Prozent der Versuche in der experimentellen Hirnforschung wären wohl nicht genehmigt worden. Mit dem neuen Gesetz müsste es eine Abwägung im Einzelfall geben.
Für die Abstimmung im Bundestag hofft Tierschutzbund-Präsident dennoch, dass letzlich die Moral siegt. „Denn wir können doch nicht mit Lebewesen machen, was wir wollen“, meint Apel, der in dieser Frage immerhin 80 Prozent der Bevölkerung hinter sich glaubt. Ohne CDU-Zustimmung allerdings soll der Kampf der Tierschützer weitergehen: Als erstes will Apel die Namen der widerspenstigen Abgeorneten veröffentlichen.
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