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Abraum

Das Schiltal in den westrumänischen Karpaten ist seit jeher Rumäniens größte Bergbauregion. Im Zuge seiner Autarkiepolitik blähte Diktator Nicolae Ceaușescu das Tal vor dreißig Jahren regelrecht auf. Die Kohle wurde für Heizkraftwerke und die riesigen Stahlkombinate des Landes benötigt. Es kamen immer neue Arbeitskräfte, zumeist aus der Moldau, dem ärmsten Landesteil.

Gefördert wurde und wird die Steinkohle mit primitiven Methoden. An den Flözen sprengen die Bergarbeiter die Kohle ab und schaufeln sie dann auf Fließbänder und in Loren. Maschinen sind veraltet; Stollen häufig unbeleuchtet und ungesichert; die Entlüftungsanlagen funktionieren nur schlecht. Da immer weniger Geld für Arbeitssicherheit ausgegeben wird, vergeht kaum ein Monat, in dem es hier keine Schwerverletzten und Toten gibt.

In letzter Zeit hat der staatliche „Nationale Steinkohle-Trust“ (CNH) im Schiltal etwa vier Milliarden Dollar Subventionen verschlungen. Die Regierung begann deshalb 1997, Minen zu schließen. Von den einst 50.000 Bergarbeitern (Schiltal insgesamt: rund 200.000 Einwohner) wurden mehr als 30.000 entlassen. Die Arbeiter bekamen großzügige Abfindungen, die die meisten mittlerweile ausgegeben haben.

Außer einigen schlecht bezahlten Stellen in der Stadtreinigung konnte die Regierung den Bergarbeitern keine neuen Arbeitsmöglichkeiten schaffen. Das Schiltal ist von der einst größten monoindustriellen Region zum größten Elendsviertel Rumäniens geworden.

Nach dem Sturz Ceaușescus dienten die Bergarbeiter dem neokommunistischen Staatspräsidenten Ion Iliescu 1990 und 1991 in der Hauptstadt Bukarest als Schlägertruppe gegen demonstrierende antikommunistische Studenten.

Im Januar und Februar letzten Jahres zogen mehrere tausend Bergarbeiter unter ihrem Führer Miron Cozma auf die Hauptstadt, um gegen die Schließung der Bergwerke zu protestieren und die Regierung zu stürzen. Sicherheitstruppen schlugen die Revolte nieder. Cozma, der das Schiltal lange wie ein Mafiaboss beherrscht hatte, wurde zu achtzehn Jahren Haft verurteilt. KV

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