: „Notfalls Schwitzkasten“
Keine Sonderrechte für Schwarze Sheriffs – aber jede Person, die eine Straftat beobachtet, darf den Täter vorübergehend festnehmen ■ Von Kai von Appen
Es gab sie schon immer: Die Freizeit-Sheriffs – Menschen, die hinter der Gardine lauern, ob alles mit rechten Dingen zugeht, oder die bespickt mit Zettel und Bleistift Falschparker registrieren, um sie der Polizei zu melden. Bei den Ordnungshütern ist diese Helfer-Spezies in der Regel nicht sehr beliebt, kostet sie doch nur Nerven und Arbeit.
Anders bewertet werden dagegen mutige Alltagsfahnder, die beherzt einschreiten, wenn sie eine Straftat beobachten, den Täter am Tatort stellen und ihn bis zum Eintreffen der Polizei festhalten. So feierte die Polizei in Norderstedt vor kurzem einen Zwölfjährigen, der sich mit geballten Kräften an die Jacke eines Schmuckdiebes klammerte und ihn so lange festhielt, bis die Polizei eintraf – und das völlig legal. „Wenn man jemanden auf frischer Tat ertappt, kann man die entsprechende Person festnehmen“, bestätigt Hamburgs Staatsanwaltschaftssprecher Rüdiger Bagger.
Diese Form von Zivilcourage regelt der Paragraf 127 Strafprozssordnung. Danach ist „jedermann“ – also jede „Privatperson“ –, der unmittelbar Augenzeuge einer Straftat wird, berechtigt einzuschreiten, den Täter zu stellen und durch vorübergehende Festnahme die Strafverfolgung zu sichern. Wohlgemerkt berechtigt, nicht verpflichtet, es sei denn, man machte sich sonst zum Beipiel einer unterlassenen Hilfeleistung bei einer versuchten Körperverletzung oder drohenden Vergewaltigung schuldig. Anders als Polizeibeamte unterliegt der normale Bürger nicht dem Legalitätsprinzip.
Und wenn sich der Bösewicht einer Festnahme zu widersetzen versucht? „Wenn jemand abhauen will, kann man ihn festhalten, notfalls in den Schwitzkasten nehmen, an einen Zaun fesseln oder im Auto einschließen – was will man denn sonst machen“, stellt Bagger klar. In der Regel kann sich der Ertappte dieser Prozedur aber entziehen, indem er seine Identität preisgibt. Dann könnte eine Festnahme unverhältnismäßig sein. „Es sei denn, die Anwesenheit am Tatort bis zum Eintreffen der Polizei ist notwendig“, sagt Bagger. Sonst könnte er später sagen „ich war gar nicht da“ – und präsentiert dafür noch drei Zeugen. „Jedermann“ hat aber nur ein Recht der Festnahme bei aktuellen Straftaten, wo er selbst der „Entdecker“ (Augenzeuge) ist oder es einen „Entdecker“ gibt, als Kopfgeldjäger nach Fahndungsaufrufen darf eine Privatperson nicht tätig werden.
Trotz der weitreichenden Befugnisse warnen Experten jedoch vor unnötigen Heldentum. So sollte sich jeder genau überlegen, ob und wann er einschreitet. Gerade bei bewaffneten Überfällen ist die Gefahr, selbst von Schüssen getroffen zu werden, nicht auszuschließen.
Im Gegensatz zur weitverbreiteten Meinung haben Schwarze Sheriffs – trotz Uniform – und Kaufhausdetektive keine Sonderbefugnisse. „Die Angehörigen privater Wachdienste haben nur Jedermannsrechte,“ bekräftigt Bagger, „aber keinerlei Polizeirechte.“ In gewissen Situationen dürfen sie im Auftrag des Inhabers oder der Gesellschaft zwar das Hausrecht, zum Beispiel jemanden vor die Tür zu setzen, wahrnehmen – auch das nicht immer: Das Management eines City-Centers, das über seine Wachleute streikende Bedienstete eines sich dort befindlichen Kaufhauses an die frische Luft setzen wollte, wurde von der Polzei zurecht gewiesen. Streikrecht geht vor Hausrecht.
Und als jüngst Mitarbeiter der Bahnhofsgesellschaft den Pass einer Ausländerin kontrollieren wollten, wurden sie von einem Bundesbahn-Gewerkschafter in die Schranken verwiesen. Sie hätten keinerlei Befugnisse, „hoheitliche Aufgaben“ – wie der Bundesgrenzschutz – wahrzunehmen, teilte ihnen der Mann mit – auch das ein Akt von Zivilcourage.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen